Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
beinahe ungläubig. Er trug noch dasselbe Gewand wie vor ein paar Stunden an der Festtafel. Sein Gesicht war eingefallen und die violetten Flecken in seinen Mundwinkeln zeugten noch vom Weingenuss, aber seine Augen funkelten erregt und seine Stimme bebte.
»Er ist es! Er ist es tatsächlich… Ich kann es nicht fassen!« Er bückte sich, hielt aber sofort inne, als er spürte, welche Hitze der Ring verströmte.
Hinter Asmira sagte die sanfte Stimme warnend: »Gebt acht, Herr! Meine Substanz spürt es sogar von hier aus. Verbrennt Euch nicht, lieber Herr!«
Dem Zauberer entfuhr ein Laut, halb Lachen, halb Stöhnen. »Du… du kennst mich doch, mein guter Ammet. Ich… ich mag’s gern, wenn es ein bisschen wehtut.« Er griff nach dem Ring. Asmira erwartete einen Aufschrei…
Stattdessen: ein Keuchen, ein unterdrückter Fluch. Khaba richtete sich wieder auf. Sein Blick war starr, er biss die Zähne zusammen, und in seiner Hand lag der Ring.
»Seid Ihr verletzt, Herr?«
Asmira legte den Kopf in den Nacken, um den Sprecher zu erkennen. Ein Umriss zeichnete sich vor dem Sternenhimmel ab, ein Schattenriss wie ein Doppelgänger Khabas. Voller Entsetzen versuchte sie, sich aus dem Griff des Ungeheuers zu befreien.
Der Ägypter schielte zu ihr hinüber. »Halt die Kleine gut fest«, keuchte er. »Aber… tu ihr noch nichts. Ich muss… ich muss erst mit ihr reden. Aaah! Wie hat der Alte das bloß ausgehalten?«
Der Griff um Asmiras Taille wurde fester, sie rang nach Luft. Im selben Augenblick wurde sie ein bisschen durchgeschüttelt, als hätte sich ihr Peiniger blitzschnell umgedreht und etwas aufgehoben.
»Herr«, sagte die sanfte Stimme, »jetzt habe ich auch Bartimäus. Er lebt.«
Asmira wandte den Kopf und sah den jungen Sumerer wie eine Lumpenpuppe im Griff einer mächtigen grauen Faust hängen. Aus seinen zahlreichen Wunden entwich gelblicher Dampf. Der Anblick versetzte Asmira einen Stich.
»Er ist nicht tot? Umso besser.« Khaba kam hinzu. Er drückte die rechte Hand an die Brust und hinkte ein wenig. »Dann haben wir ja gleich den ersten Bewohner für unsere neuen Substanzkäfige, Ammet. Aber erst zu dem Mädchen…«
Er blieb vor Asmira stehen und musterte sie. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, er grub die Zähne in die Oberlippe. Den Ring hatte er noch nicht angesteckt.
»Wie hast du das geschafft?«, wollte er wissen. »Welchen Rang bekleidest du als Zauberin?«
Asmira zuckte die Achseln und schüttelte stumm den Kopf.
»Soll Ammet dich in Stücke reißen?«, fragte Khaba drohend. »Er kann es kaum erwarten. Sprich!«
»Das war gar nicht so schwer.«
»Und Salomos Abwehrzauber?«
»Die habe ich umgangen.«
»Aber der Ring! Hast du ihn Salomo vom Finger gezogen, als er schlief?«
»Nein. Der König war wach.«
»Wie, beim großen Ra, hast du dann…« Khaba unterbrach sich und starrte auf seine verkrampfte Hand. Der Schmerz schüttelte ihn durch, er verlor den Faden. »Ach, das kannst du mir alles nachher erzählen, wenn ich die Muße dazu habe. Nur eins noch: Wie ist Salomo gestorben?«
Asmira dachte an den gebrechlichen Greis in der Kammer. Was er jetzt wohl machte? Vermutlich rief er seine Wächter zusammen oder floh aus dem Turm. Hoffentlich gelang ihm die Flucht. Sie wunderte sich selbst, dass es ihr nicht gleichgültig war. »Bartimäus hat ihn erwürgt«, schwindelte sie.
»Ach so. Sehr schön. Das hat er auch verdient. Gut, Cyrine… aber das ist gar nicht dein richtiger Name, oder? Ich wüsste gern, wie du… aber auch das finde ich noch heraus, glaub mir nur.« Khaba lächelte schief. »Wer du auch bist, ich bin dir zu großem Dank verpflichtet. Seit Jahren habe ich danach gefiebert, diese Tat selbst zu begehen. Ebenso die übrigen Mitglieder der Siebzehn – wir haben wieder und wieder davon gesprochen. Aber wir haben uns nicht getraut! Die Furcht vor dem Ring hat uns gelähmt. Und auf einmal kommst du daher, zusammen mit diesem… diesem ganz gewöhnlichen Dschinn… und dir gelingt es!« Khaba schüttelte verwundert den Kopf. »Wirklich erstaunlich. Du hast wahrscheinlich auch die Wächter an der Schatzkammer aufgemischt?«
»Genau.«
»Eine hervorragende Taktik. Die meisten meiner Kollegen sind immer noch dort zugange. Ihnen wärst du sicherlich entwischt.«
»Wie habt Ihr uns entdeckt?«, fragte Asmira. »Wie hat der grüne Dämon…«
»Gezeri, Ammet und ich suchen dich schon die halbe Nacht, seit du mich bestohlen hast. Gezeri hat mit seinen Adleraugen hier auf dem
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