Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
hielt, wich einen Schritt zurück.
In der Luft vor der Balkonbrüstung erschien eine Gestalt, groß wie ein Mensch, aber es war kein Mensch, und sie war schwärzer als der Nachthimmel.
Du bist nicht Salomo.
Die Stimme war weder laut noch zornig, sondern leise und sanft. Trotzdem klang sie ein wenig gereizt. Asmira zuckte zurück wie unter einem Schlag und spürte, dass ihr Blut aus der Nase lief.
Khaba entfuhr ein Schmerzenslaut, es mochte aber auch ein Auflachen sein. »Ganz recht, Sklave! Du hast jetzt einen neuen Herrn. Folgendermaßen lautet mein erster Befehl: Schütze mich vor allen magischen Angriffen.«
So sei es, erwiderte die Erscheinung.
»Und nun…« Khaba schluckte schwer, dann richtete er sich hoch auf. »Nun soll die Welt erfahren, dass ab heute in Jerusalem ein anderer Wind weht! Mit Salomos Schlendrian ist jetzt Schluss. Endlich kommt der Ring richtig zum Einsatz!«
Daraufhin beschossen etliche seiner Kollegen den Ägypter mit magischen Blitzen, doch die Blitze zerstoben allesamt über der Balkonbrüstung und verwandelten sich in ein hübsches Gestöber bunter Funken, die wie Grassamen vom Wind davongetragen wurden.
»Sklave des Rings!«, rief Khaba, »wie ich sehe, sind meine Kollegen Elbesh und Nisroch besonders angriffslustig. Darum sollst du sie als Erste züchtigen!«
Zwei Teppiche und zwei Zauberer zerbarsten zu grellgrünen Feuerkugeln. Ihre qualmenden Fetzen trudelten auf die Baumkronen nieder.
So sei es.
»Sklave des Rings!« Khaba sprach immer selbstbewusster. Seine Schmerzen schien er inzwischen im Griff zu haben. »Schaff mir ein großes Heer herbei, so groß wie jenes, als Thutmosis gen Nimrud marschierte! Nein, größer noch! Der Himmel soll sich auftun und meine Krieger sollen all jene Bewohner dieses Palastes vernichten, die es gewagt haben, die Hand gegen mich zu erheben! Sie sollen…« Er schaute zum Himmel empor und verstummte staunend.
So sei es, erwiderte die Erscheinung und verschwand.
Es knackte abermals in Asmiras Ohren, abgesehen davon bekam sie kaum mit, dass die Erscheinung fort war. Wie Khaba und die anderen Zauberer auf ihren Teppichen, wie die Geister, welche die Teppiche trugen, blickte auch sie zum Himmel empor. Hoch über der Palastmauer östlich der Gartenanlagen war der Himmel aufgerissen. Die Öffnung glich einem schräg stehenden Feuerrad. In seiner Mitte trafen lodernde Feuerzungen zusammen wie Speichen, doch unten auf der Erde war kein Knistern oder Brausen zu vernehmen, und auch das gleißende Licht warf keinen Widerschein auf die Bäume und Palastkuppeln. Die Öffnung war da und auch wieder nicht, war nah und zugleich fern – ein Fenster zu einer anderen Welt.
Nun stob geräuschlos ein Schwarm schwarzer Punkte daraus hervor. Wie ein Insektenschwarm kamen sie angeflogen, wie eine Rauchfahne, die sich abwechselnd verdichtet und wieder lichtet, dabei um sich selbst kreiselte und sich abwärtsschlängelte, und auch wenn es schien, als flögen die Punkte sehr schnell und hätten keine große Entfernung zu überwinden, so dauerte es eine Ewigkeit, bis sie näher kamen, schien es Asmira. Doch dann, als hätte sich eine Schleuse geöffnet, brach jählings ein Brausen über die Zuschauer herein, als ergösse sich ein Meer aus Sand auf die Erde – das Rauschen der Dämonenschwingen.
Die Punkte wurden größer. Zähne, Klauen und Schnäbel blitzten auf und auch die scharfzackigen Waffen in den Schwänzen und Pfoten der Wesen, bis schließlich der Himmel über dem Palastgarten schwarz von ihnen war und man die Sterne nicht mehr sehen konnte.
Es wurde totenstill. Das Dämonenheer verharrte abwartend in der Luft.
Jemand tippte Asmira auf die Schulter.
Als sie den Kopf wandte, blickte sie in die Augen des dunkellockigen Jünglings, der inzwischen wie sie unter der Achsel des Schattens klemmte.
»Da siehst du, was du angerichtet hast!«, sagte der junge Sumerer vorwurfsvoll.
Asmira wurde von Kummer und Scham überwältigt. »Ach, Bartimäus… das tut mir alles furchtbar leid.«
»Ach so! Na, dann ist ja alles in Ordnung«, entgegnete der Jüngling zynisch. »Die Heerscharen des Anderen Ortes sind entfesselt, dieser Landstrich wird dem Erdboden gleichgemacht, die Menschen sterben wie die Fliegen, Khaba der Grausame sitzt auf dem Königsthron und reibt sich die blutbefleckten Hände und Bartimäus von Uruk ist einem jammervollen Tod geweiht – aber dir tut es leid. Wenn das kein Trost ist!«
»Es tut mir wirklich leid«, beteuerte Asmira. »Mit so
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