Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
sie, »mein Diener hat den Ring von hier entführt. Khabas Dämon verfolgt ihn. Wenn ich den Zauberer umbringe, ist Bartimäus gerettet und Euer Ring…«
»… landet im Meer.« Salomo blickte sie unter hochgezogenen Brauen eindringlich an. »Auch das habe ich gehört und geschaut.«
Er fuhr mit der Hand über die Kugel. Ein anderer Schauplatz erschien. Man sah Khaba auf der Balkonbrüstung stehen, sein Umriss zeichnete sich vor dem Rauch ab. Er sprach gerade eine Beschwörung, seine Worte drangen leise aus der Kugel. Auf einmal geriet er ins Stocken, fluchte, holte tief Luft und fing von vorn an.
»Wie die anderen Narren auch hat er sich übernommen«, sagte Salomo, »je größere Taten man dem Ring abverlangt, desto mehr schwächt er seinen Träger. Khaba wollte zu viel, jetzt ist er erschöpft und zerstreut. Er kann sich nicht mehr an die Übertragungsformel erinnern. Aha… jetzt ist sie ihm wieder eingefallen.«
Asmira drehte sich nach dem Eingang um, wo es hinter dem Vorhang sechsmal blitzte. Vor das Bild des Zauberers in der Kugel schoben sich dunkle Gestalten. »Er ruft seine Dämonen herbei! Gleich sind sie da! Könnt Ihr nicht irgendetwas dagegen unternehmen? Bitte!«
»Nicht aus eigener Kraft.« Der König schwieg einen Augenblick. »Es ist schon lange her, dass ich so etwas selbst getan habe… Aber vielleicht findet sich in meiner Wunderkammer etwas Brauchbares. Lauf durch den Saal und wende den Blick von dem Blendwerk ab. Aber wenn du an dem Tisch auf der linken Seite vorbeikommst, zieh die mittlere Schublade auf. Nimm den Inhalt heraus und bring ihn mir.«
Asmira beeilte sich zu gehorchen. Aus der Kugel hörte sie Khaba in schrillem Ton Befehle erteilen. Kehlige Stimmen antworteten ihm.
Die Schublade enthielt mehrere goldene, mit Perlen besetzte Halsketten. In manche Steine waren mystische Zeichen eingraviert. Asmira lief mit ihrem Fund zu Salomo zurück. Er nahm den Schmuck wortlos entgegen, dann schritt er in würdevoller Eile zu einem Durchgang hinüber, der Asmira noch nicht aufgefallen war. Im Gehen beugte er mühsam den Nacken und legte die Ketten um.
Asmira lief nebenher. »Über was für Zauberkräfte verfügen sie?«
»Über gar keine. Aber sie sehen schön aus, oder nicht? Wenn ich schon sterben muss«, der König drehte sich auf der Schwelle zu ihr um, »möchte ich wenigstens standesgemäß geschmückt sein. So, da wären wir in meiner kleinen Sammlung.«
Asmira sah sich um. Die Wandborde, Schränke und Truhen in dem kleinen Raum quollen vor Kunstgegenständen über. Asmira wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. »Was soll ich nehmen?«, fragte sie. »Und was kann man damit anfangen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Salomo schlicht. »Den Verwendungszweck der meisten Gegenstände kenne ich nicht. Ich halte schon seit Jahren Ausschau nach etwas, was genauso mächtig ist wie der Ring, seinem Benutzer aber weniger schadet. Vergebens natürlich. Unterdessen haben meine Diener so viel Zeug angeschleppt, dass ich weder die Zeit noch die Kraft habe, jedes Beutestück gründlicher zu untersuchen. Sie alle sind mehr oder weniger magisch, einige sind reiner Hokuspokus, andere sind mir bis heute ein Rätsel.«
Ein Krachen hallte durch den Saal. Asmira fuhr zusammen. »Jeder Hinweis hilft mir weiter. Habt Ihr Silberdolche?«
»Nein.«
»Wurfsterne?«
»Ich glaube nicht.«
»Aha. Dann nehme ich erst mal dieses Schwert.«
»Lieber nicht.« Salomo hielt ihren Arm fest. »Hat man es einmal zur Hand genommen, kann man es nie mehr weglegen. Siehst du die vergilbten Fingerknochen rings um den Knauf?«
»Wie wär’s mit diesem Schild hier?«
»Der ist zu schwer für einen gewöhnlichen Menschen. Angeblich hat er König Gilgamesch gehört. Wir können es ja mal hiermit versuchen.« Er reichte ihr zwei silberne Eier von der Größe einer Männerfaust.
»Was soll das sein?«, fragte Asmira.
»Hoffentlich etwas Wirkungsvolles. Und was hältst du davon?« Salomo wies auf drei kurze Holzstäbe, in deren Enden Glaskolben eingelassen waren. In den Kolben huschte etwas umher.
Asmira hörte tappende Schritte und griff nach den Stäben. »Seht Euch bitte noch weiter um«, sagte sie. »Aber bleibt von der Tür weg. Ich versuche sie abzuwehren.«
Sie schmiegte sich neben der Tür dicht an die Wand und spähte in den Saal. Da waren sie: Sechs von Khabas Dämonen, die sie schon aus der Schlucht kannte, schwärmten zwischen Stühlen und Tischen aus. Wie bei ihrer ersten Begegnung hatten sie
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