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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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zu, dass sogar Khaba beim Anblick deiner Überreste die Tränen kommen.« 119
    Darauf erwiderte ich erst einmal gar nichts. Unter meinen Füßen und den kegelförmigen Beinen des Schattens hoben und senkten sich sanft plätschernd die rosig angehauchten Wellenkämme. Im Osten schob sich die Sonne über den Horizont und stemmte den Deckel des dunkelblauen Himmels auf. Nach dem Tumult der vergangenen Brandnacht war es einen Augenblick lang ruhig und meine Gedanken ordneten sich wieder.
    Ammet hatte recht. Den Ring ins Meer zu werfen, war witzlos.
    »Gib schon auf«, sagte der Schatten eindringlich. »Du siehst doch, was der Ring dir antut! Du trägst ihn schon viel zu lange mit dir herum.«
    Ich betrachtete meine schmelzende Hand.
    »Hat er dir den Verstand weggesengt, Bartimäus?« Der Schatten glitt auf mich zu. »Es reicht jetzt. Gib mir den Ring!«
    Ich lächelte ihn an und fasste einen Entschluss. Unvermittelt wechselte ich die Gestalt. Vor dem Schatten schwebte Salomo der Weise. 120
    Der Schatten hielt verunsichert inne.
    »Na, hab ich ihn gut getroffen?«, fragte ich. »Die schlanke Gestalt und auch sonst alles Drum und Dran – sogar die Stimme ist mir ganz gut gelungen, oder? Aber etwas fehlt noch.« Ich streckte meinem Gegenüber die nach oben gekehrten Handflächen hin und wendete sie mehrmals hin und her. »Mal sehen… ja, wo ist er bloß?« Mit gespielter Besorgnis klopfte ich mein Gewand von oben bis unten ab, dann zog ich wie ein billiger Jahrmarktszauberer einen kleinen goldenen Reif aus meinem Ohr. »Ta-daaa! Der Ring! Erkennst du ihn wieder?«
    Ich hielt den Ring feixend hoch, sodass er in der Morgensonne blinkte. Der Schatten sank ein wenig in sich zusammen und wirkte vor Aufregung fast durchscheinend. »Spinnst du?«, fauchte er. »Was soll das?«
    »Weißt du, was, Ammet«, entgegnete ich unbekümmert, »ich muss dir recht geben. Der Ring hat meiner Substanz tatsächlich schwer zugesetzt. So schwer, dass ich ebenso gut noch einen Schritt weitergehen kann.«
    Der Schatten trat auf mich zu. »Das traust du dich nicht. Der Ring bringt dich um!«
    »Glaubst du?«
    Ich schob den Ring über den Finger.
    Er passte wie angegossen.
    Im selben Augenblick überkam mich das qualvolle Gefühl, auseinandergerissen zu werden. Ich habe ja wohl schon erwähnt, dass der Ring ein Portal war. Hielt man ihn in der Hand, spürte man sozusagen schon den Luftzug, der unter dem Tor hindurchfegte. Steckte man ihn an, riss man das Tor weit auf. Dann erfasste einen der Orkan mit voller Wucht und man war total wehrlos. 121 Es war wie mitten in einer Entlassung, wenn man schon vom Anderen Ort angezogen wird, die Substanz aber noch einen Augenblick an die Erde gebunden ist. Auch jetzt war meine Substanz zum Zerreißen gespannt, während ich über dem unbewegten Meer schwebte und mir bewusst war, dass mir die Zeit davonlief.
    Vielleicht hätte Ammet etwas unternehmen können, als ich noch unter dem Ansturm des Orkans taumelte, aber er war angesichts meiner Dreistigkeit wie gelähmt. Er waberte vor mir wie ein Fettfleck, der vom morgendlichen Spiegeleibraten übrig geblieben war.
    Ich bezwang den reißenden Schmerz und tat mein Bestes, mir nichts anmerken zu lassen. Es gelang mir einigermaßen. »Also, Ammet – du sprichst in letzter Zeit viel über Rache und so weiter. Es scheint geradezu dein Lieblingsthema zu sein. Ich finde es in der Tat auch ziemlich spannend und hätte da eine Idee. Warte doch mal kurz.«
    »Nicht, Bartimäus! Bitte nicht!«
    Wie immer verbreitete der Ring Angst und Schrecken. Darin bestand seine Macht. Deswegen prügelten sich die Zauberer um ihn, deswegen hatten Philokretes, Azul und Konsorten für den Ring ihr Leben riskiert. Es würde kein Zuckerschlecken werden, aber ich war fest entschlossen, die Sache durchzustehen.
    Ich drehte den Ring. Die Schmerzen wurden unerträglich. Ich stöhnte die aufgehende Sonne an.
    Alle sieben Ebenen um mich herum verzerrten sich und neben mir tauchte die mächtige Wesenheit auf. Die Morgensonne schien ihre Gestalt nicht erfassen zu können, schien vielmehr in ihr zu verschwinden und ließ sie so unergründlich und pechschwarz erscheinen, als hätte jemand ein Loch in den Tag geschnitten. Sie warf keinen Schatten.
    Apropos Schatten, der arme alte Ammet wirkte verglichen mit dem Neuankömmling ganz grau und verschlissen. Er wusste nicht, wohin mit sich, trat von einem Bein aufs andere, zog sich zusammen und wieder in die Länge und malte mit seinen losen Substanzfäden

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