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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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durch die Wüste und setzte sie im Morgengrauen sanft ab.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht reckte Asmira die steifen Glieder und öffnete zögernd die Augen. Sie saß auf einem Hügel, im Mittelpunkt dreier makelloser, in den Sand gemalter Kreise. Hier und da wuchsen niedrige Sträucher, Wüstengras und Steinbrocken leuchteten in der aufgehenden Sonne. Ein kleines nacktes Kind stand am Rand des Hügels und schaute Asmira mit wachen dunklen Augen an.
    »Dort drüben liegt Eilat«, verkündete der Dschinn. »Du kannst kurz vor Mittag dort sein.«
    In der Ferne sah Asmira gelbe Lichter im trüben Morgenlicht blinken und gleich daneben eine weiße Linie, dünn wie eine Messerschneide, die Land und Himmel trennte.
    »Das dort«, das Kind streckte die Hand aus, »ist das Meer. Der Golf von Akaba. Du bist hier am südlichsten Zipfel von König Salomos Reich. In Eilat kannst du Kamele mieten, die dich nach Jerusalem bringen. Bis dahin sind es noch etliche Hundert Meilen. Ich selbst kann dich nicht hinbringen. Salomo hat in Eilat Schiffswerften eingerichtet, damit er die Handelsstraßen an der Küste überwachen kann. Er hat auch seine Zauberer dort postiert und viele Geister, die nur auf Eindringlinge wie mich lauern. Ich kann die Stadt nicht betreten.«
    Asmira rappelte sich unbeholfen auf. »Dann danke ich dir für deine Hilfe. Wenn du wieder in Marib bist, richte bitte auch den Priesterinnen und meiner geliebten Königin meinen Dank aus. Sag ihnen, dass ich froh über ihre Hilfe bin und mein Möglichstes tun werde, meinen Auftrag auszuführen, und…«
    »Bei mir brauchst du dich nicht zu bedanken«, unterbrach sie das Kind. »Ich mache nur das, wozu man mich zwingt. Müsste ich nicht das Schreckensfeuer fürchten, würde ich dich im Handumdrehen verschlingen, denn du siehst recht appetitlich aus. Was die Königin und ihre Günstlinge betrifft, ist deine Dankbarkeit meiner Ansicht nach ebenso unangebracht. Sie überantworten dich einem jämmerlichen Tod, während sie selbst ihre Hinterteile in die weichen Palastkissen pflanzen. Aber ich richte deine Grüße trotzdem gern aus.«
    »Elender Dämon!«, fauchte Asmira. »Wenn ich sterbe, so sterbe ich für meine Königin! Mein Land wird bedroht und der Sonnengott selbst hat mein Vorhaben gesegnet. Aber von Treue und Heimatliebe versteht einer wie du ja nichts! Fort mit dir!«
    Sie griff sich an den Hals und zischte wütend eine Silbe. Eine Scheibe aus grellgelbem Licht traf den Dschinn. Er schlug aufkreischend einen Rückwärtssalto.
    »Netter Trick«, sagte das kleine Kind, als es wieder aufgestanden war. »Aber deine Macht ist bescheiden und deine Beweggründe sind noch bescheidener. Treue und Heimat – das sind doch nur hohle Worte.«
    Das Kind schloss die Augen und löste sich in Luft auf. Eine sanfte Brise wehte südwärts, verwischte die makellosen Sandkreise und ließ Asmira erschauern.
    Sie kniete sich neben ihren Lederbeutel und holte die lederne Wasserflasche, eine in Weinblätter gewickelte Pastete, einen der Silberdolche und ihren Reiseumhang heraus, den sie gleich umlegte, weil sie fror. Dann trank sie in großen Schlucken, denn sie war sehr durstig. Anschließend verzehrte sie die Pastete mit konzentrierten kleinen Bissen, schaute dabei ins Tal hinunter und überlegte, welchen Weg sie in die Stadt nehmen sollte. Anschließend wandte sie das Gesicht nach Osten, wo die Scheibe des Sonnengottes soeben emporstieg. Auch auf das ferne schöne Saba fiel ihr Glanz. Die Pracht des Sonnengottes blendete Asmira, seine Wärme liebkoste ihre Wangen. Ihre Bewegungen verlangsamten sich, ihr Geist wurde leer, die Dringlichkeit ihres Auftrags belastete sie nicht mehr. Sie stellte sich auf die Hügelkuppe, eine zarte, schlanke junge Frau, auf deren langem schwarzem Haar goldenes Licht spielte.
    Als sie noch klein gewesen war, hatte Asmiras Mutter sie auf das Dach des Palastes mitgenommen und sie waren einmal rundherum gegangen.
    »Die Stadt Marib steht auf einem Berg«, hatte die Mutter gesagt, »und dieser Berg ist der Mittelpunkt von Saba, so wie das Herz der Mittelpunkt des Körpers ist. Vor langer Zeit legte der Sonnengott Größe und Aussehen unserer Stadt fest, und wir dürfen sie nicht über diese Grenzen hinaus erweitern. Darum haben wir in die Höhe gebaut! Siehst du die Türme ringsum? Sie beherbergen unser Volk, eine Familie pro Etage, und wenn es nottut, errichten wir aus Lehmziegeln ein weiteres Stockwerk. Nun richte deinen Blick über den Berg hinaus, mein Kind.

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