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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Siehst du, dass es um uns herum grün ist, während sich vor der Stadt die gelbe Wüste erstreckt? Unsere Gärten erhalten uns alle am Leben. Jahr für Jahr schmilzt in den Bergen der Schnee, ergießt sich in Sturzbächen in die staubtrockenen Wadis und bewässert die Felder. Frühere Königinnen ließen die Bewässerungsgräben ausheben. Sie instand zu halten ist die wichtigste Aufgabe jeder Herrscherin, denn ohne Wasser müssen wir sterben. Nun schau nach Osten – siehst du die bläuliche Bergkette dort? Das ist der Hadramaut, wo unsere Wälder wachsen. Diese Bäume sind unser anderer Lebensquell. Wir ernten ihr Harz und trocknen es… und was wird dann daraus?«
    Asmira kannte die Antwort und hüpfte vor Eifer auf und ab. »Weihrauch, Mutter! Danach stinken die Bergmenschen!«
    Die Mutter legte ihr die Hand fest auf den Kopf. »Spring nicht so herum, Mädchen. Ein Mitglied der Palastwache tollt nicht wie ein Wüstenderwisch umher, auch nicht, wenn es erst fünf Jahre alt ist. Aber deine Antwort war richtig. Der Weihrauch ist unser Gold, er macht unser Volk reich. Wir treiben Handel mit anderen Ländern jenseits der Wüsten und Meere. Sie zahlen uns einen guten Preis für den Weihrauch, aber sie würden ihn auch stehlen, wenn sie könnten. Nur die Große Arabische Wüste, die kein Heer der Welt durchqueren kann, schützt uns vor ihrer Habgier.«
    Asmira blieb still stehen und runzelte die Stirn. »Wenn aber doch mal Feinde herkommen, dann tötet die Königin sie, nicht wahr, Mutter? In der Obhut der Königin kann uns kein Leid geschehen.«
    »Richtig, Kind. Unsere Königin bewahrt Saba vor Unheil. Und wir wiederum bewahren die Königin vor Unheil – die anderen Frauen von der Palastwache und ich. Dazu sind wir auf der Welt. Wenn du groß bist, liebe Asmira, musst auch du unsere gnädigste Herrin unter Einsatz deines Lebens schützen – so, wie ich es getan habe und unsere Ahnfrauen vor uns. Willst du das geloben?«
    Asmira war so still und ernst, wie sie es fertigbrachte. »Ich gelobe es, Mutter.«
    »Braves Mädchen. Dann wollen wir wieder zu unseren Schwestern nach unten gehen.«
    Damals war die alte Königin von Saba noch nicht so dick und konnte ihren Palast noch verlassen, wobei sie auf Schritt und Tritt von einer Leibwache begleitet wurde. Als Erste Wächterin ging Asmiras Mutter gleich hinter der Königin wie ein Schatten, das Krummschwert lose an der Hüfte. Asmira fand ihre Mutter viel schöner und majestätischer als die Königin selbst (vor allem bewunderte sie ihr langes, glänzendes Haar), hütete sich jedoch, diesen Gedanken laut auszusprechen. Solche Ansichten galten möglicherweise als Verrat, und gleich hinter den Feuchtwiesen lag ein kahler Hügel, auf dem die Leichen hingerichteter Verräter den Vögeln zum Fraß vorgeworfen wurden. Asmira stellte sich lieber vor, wie auch sie eines Tages als Erste Wächterin hinter der Königin herschreiten würde. Sie lief in den Garten hinter dem Palast und übte sich schon einmal mit einem abgeknickten Schilfrohr im Fechten, wobei sie ganze Heerscharen imaginärer Dämonen in die Flucht schlug.
    Von klein auf hatte sie ihre Mutter in den Übungsraum begleitet, wo die Frauen der Palastwache unter den wachsamen Augen der sogenannten Ehemaligen, die für den aktiven Dienst zu alt waren, tagtäglich trainierten. Noch vor dem Frühstück kletterten die Frauen an Tauen hoch, rannten um die Wiesen und schwammen in den Bewässerungsgräben. Mit aufgewärmten Muskeln übten sie anschließend sechs Stunden pro Tag in dem hallenden, sonnendurchfluteten Saal mit Schwertern und Kampfstöcken, duellierten sich mit Messern und Fäusten, schleuderten Wurfscheiben und Dolche auf mit Stroh ausgestopfte Puppen. Asmira saß dann auf den Bänken am Rand, wo die Ehemaligen Wunden und Beulen mit Tinkturen aus schmerzstillenden Kräutern versorgten. Oft ergriffen Asmira und die anderen Mädchen die bereitliegenden kleinen Holzwaffen, ahmten ihre Mütter im spielerischen Kampf nach und begannen auf diese Weise von ganz allein mit ihrer Ausbildung.
    Asmiras Mutter war in allen Disziplinen die Beste, weshalb sie der Palastwache vorstand. Sie lief am schnellsten, kämpfte am ausdauerndsten und vor allem warf sie die kleinen glänzenden Dolche treffsicherer als alle anderen Frauen, und zwar aus dem Stand, aus der Bewegung und sogar aus der halben Umdrehung heraus, wobei sie die Klinge bis zum Heft in jedes der über den Saal verteilten Ziele trieb.
    Asmira war hingerissen. Oft sprang

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