Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Gebeinschrank, in dem die beschrifteten Schädel und Knochen Hunderter Lebewesen säuberlich neben solchen von Menschen lagen.
Khaba achtete nicht auf das Rufen und Flehen aus den Substanzkäfigen. Er blieb vor einem großen schwarzen Pentagramm aus poliertem Obsidian stehen, das in ein erhabenes Rund auf dem Boden eingelassen war. Der Zauberer trat hinein, sammelte sich kurz, hakte die Peitsche vom Gürtel und ließ sie ein Mal kräftig knallen.
In den Käfigen wurde es mäuschenstill.
Im Dämmerlicht zwischen den Säulen, wo das blaugrüne Leuchten nicht hinreichte, erschien eine Wesenheit, zu erahnen nur durch die sich dort verdichtende Dunkelheit und das laute Zähneklappern.
»Bist du’s, Nurgal?«, fragte Khaba.
»Ich bin es.«
»Der König hat mich beleidigt. Er straft mich mit Verachtung und die anderen Zauberer lachen über mich.«
»Was geht’s mich an? Hier im Keller ist es kalt und dunkel, und seine Bewohner sorgen auch nicht eben für Kurzweil. Entlasst mich.«
»Nein. Du sollst dich mit meinem Kollegen Reuben befassen. Er hat am lautesten gelacht.«
»Was soll ich tun?«
»Sumpffieber.«
»So sei es.«
»Mach, dass es vier Tage dauert und jeden Abend schlimmer wird. Er soll sich leidend auf seinem Lager winden, mit brennenden Gliedern und vor Kälte schlotterndem Leib. Schlage ihn mit Blindheit, aber lass ihn im Finstern grausige Bilder erblicken, sodass er um Hilfe ruft, die niemals kommt.«
»Wollt Ihr, dass er stirbt?«
Khaba zögerte. Reuben war kein besonders mächtiger Zauberer. Wenn er am Leben blieb, würde er sich nicht rächen, wenn er aber starb, würde Salomo der Sache eventuell nachgehen. Khaba schüttelte den Kopf. »Nein. Vier Tage sind genug. Dann kann er meinetwegen wieder genesen.«
»Euer Wunsch ist mir Befehl, Herr.«
Khaba knallte abermals mit der Peitsche. Zähneklappernd schwebte der Horla an ihm vorbei und entwich durch die schmale Öffnung in der Decke. Verwesungsgestank waberte um das Pentagramm und ließ die Gefangenen in den Käfigen aufjaulen.
Der Zauberer blieb in Gedanken versunken stehen und klopfte mit dem Peitschenknauf rhythmisch gegen seine Handfläche. Schließlich sprach er einen Namen. »Ammet.«
Eine Stimme raunte ihm ins Ohr: »Hier bin ich, Herr.«
»Der König hat mir seine Gunst entzogen.«
»Ich weiß, Herr. Ich habe es beobachtet. Es tut mir leid.«
»Wie kann ich sie wiedererlangen?«
»Das dürfte nicht einfach sein. Die Wüstenbanditen dingfest zu machen, könnte der erste Schritt sein.«
Khaba stieß einen Wutschrei aus. »Ich kann den Königshof jetzt nicht verlassen! Dann ergreifen die anderen doch sofort die Gelegenheit und schwärzen mich noch mehr bei Salomo an. Du hast sie doch erlebt! Hiram hätte angesichts meiner Demütigung am liebsten gejubelt!« Der Zauberer holte tief Luft und fuhr in ruhigerem Ton fort: »Außerdem muss ich mich noch um meine anderen Aufgaben kümmern. Ich muss die Königin im Auge behalten.«
»Macht Euch deswegen keine Sorgen«, erwiderte die sanfte Stimme. »Gezeri kann Euch ebenso gut in der Wüste Bericht erstatten. Ohnehin habt Ihr Euch in letzter Zeit zu viel mit… Nebensächlichkeiten beschäftigt. Ihr seht ja, wohin das führt.«
Der Zauberer erwiderte wütend: »Woher soll ich wissen, dass der alte Angeber ausgerechnet heute seine blöde Baustelle besuchen will? Er hätte mich vorwarnen können!«
»Er trägt den Ring. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht?« Khaba umklammerte die Peitsche und bohrte die krummen Fingernägel tief in die gegerbte Menschenhaut. Dann beugte er den Kopf ein wenig und ließ sich den Nacken streicheln. »Ach, ich wünschte… ich wünschte…«
»Ich weiß, was Ihr Euch wünscht, Herr. Aber es wäre unklug, es auszusprechen, sogar hier unten. Ihr habt einen Blick auf den Diener des Ringes erhascht, Ihr habt gesehen, wie schreckenerregend er ist! Wir müssen uns in Geduld üben. Unsere Stunde kommt noch.«
Der Zauberer holte abermals tief Luft und richtete sich wieder auf. »Du hast ja recht, mein guter Ammet, natürlich hast du recht. Es fällt mir nur so schrecklich schwer, diesen unerträglich eingebildeten…«
»Lasst uns lieber die Käfige inspizieren«, lautete die besänftigende Entgegnung. »Das wird Euch beruhigen. Aber vorher gestattet mir noch eine Frage, Herr. Was ist mit Bartimäus?«
Khaba keifte: »Dieses Miststück von einem Dschinn! Es ist seine Schuld, dass man uns aus Jerusalem hinauswirft! Ein
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