Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
den Hals. Da kam auch schon der königliche Wagen durchs Tor gerumpelt, von schwitzenden männlichen Sklaven gezogen. Der Thron darauf war golden wie die Sonne, und wiederum darauf – in strahlender Herrlichkeit und in weiße Gewänder gehüllt, die sie noch mehr erstrahlen ließen – thronte die Königin selbst. Sie glich einem bemalten Standbild, saß steif und starr da, das runde Gesicht mit Kreidepaste weiß geschminkt, und schaute unbewegt geradeaus. Zu beiden Seiten des Wagens marschierten mit gezücktem Schwert die Frauen der Palastwache. Ihnen folgte die stumme Prozession der Priesterinnen. Oben auf dem Wagen stand hinter dem Thron die Erste Wächterin. Sie lächelte, ihr dunkles Haar glänzte in der Sonne.
Der Festzug bewegte sich die Straße entlang. Die Zuschauer jubelten, von den Türmen regnete es wieder Blüten. Das Mädchen auf dem Wachturm freute sich und winkte mit beiden Händen.
Auf der gegenüberliegenden Seite der schmalen Straße, im Schatten des nächsten Turmes, wallte gelber Rauch auf. Drei kleine, geflügelte Dämonen mit roten Augen und peitschenden Knochenschwänzen materialisierten sich mitten in der Luft. Sofort verließen die beiden Wachfrauen ihren Ausguck und verschwanden in der Menge. Auch die bewaffneten Begleiterinnen des königlichen Wagens stürzten mit erhobenen Schwertern und aus den Ärmeln gezückten Dolchen los.
Schreie ertönten, die Zuschauer stoben auseinander. Ein Dämon wurde mitten im Flug von gleich sieben Silberklingen getroffen und verflüchtigte sich aufheulend, die anderen wichen den Wurfgeschossen aus und feuerten Blitze auf die heranstürmenden Wachfrauen ab.
Das Mädchen bekam davon nichts mit. Es hatte den Blick fest auf den wartenden Wagen geheftet. Die Königin saß reglos da und schaute geradeaus. Die Erste Wächterin hatte ihren Posten nicht verlassen. Mit gezücktem Schwert stand sie gelassen neben dem Thron.
Jetzt setzte der eigentliche Angriff ein. Drei Bergbewohner drängten sich durch den Tumult, stürmten auf den ungeschützten Wagen zu und zogen lange schmale Messer aus den Gewändern.
Die Erste Wächterin wartete ruhig ab. Als sich der erste Attentäter auf die Königin stürzte, durchbohrte sie ihn, ehe seine Füße den Wagenboden berührten. Als er zusammensackte, musste sie das Schwert loslassen. Mit erhobenem Dolch wandte sie sich den beiden anderen Männern zu.
Die hatten den Wagen erreicht und sprangen von beiden Seiten hinauf.
Die Erste Wächterin machte eine fast unmerkliche Bewegung – der zweite Attentäter fiel tot aufs Straßenpflaster. Nahezu im selben Augenblick warf sich die Leibwächterin vor die Königin und wehrte den tödlichen Stich des dritten mit ihrem Körper ab. Sie brach auf dem königlichen Schoß zusammen, das lange schwarze Haar fiel ihr über das Gesicht.
Erst als die anderen Wächterinnen mit den Dämonen fertig waren, bemerkten sie die eigentliche Gefahr. Im Handumdrehen erlag der dritte Attentäter einem Dutzend Wunden. Die Frauen liefen um den königlichen Wagen herum und zerrten die Leichen herunter.
Befehle ertönten. Die Sklaven legten sich im Rhythmus der knallenden Peitschen in die Seile, der Wagen setzte sich wieder in Bewegung. Der Blütenregen ergoss sich in die leeren Straßen. Die Königin blickte mit kreidigem, ausdruckslosem Gesicht geradeaus. Das weiße Gewand in ihrem Schoß war rot verfärbt.
Die tote Erste Wächterin lag im Schatten des Stadttores. Die Prozession der Priesterinnen zog an ihr vorüber. Danach dauerte es eine Weile, bis die verstörten Palastbediensteten zurückkehrten und die Leichen fortschafften, und nicht einmal da fiel jemandem das Mädchen auf, das hoch oben auf dem Wachturm saß und zusah, wie seine tote Mutter den Hügel hochgetragen wurde.
Asmira schlug die Augen wieder auf. Alles war noch wie vorher, ehe sie eingenickt war. Über ihr schwankte der mit Troddeln verzierte Baldachin, vor ihr erstreckte sich die Kette der Kamele ins Unendliche. Nur das Knarren der Holzgestänge und die dumpfen Hufschläge auf dem steinigen Boden waren zu hören. Asmiras Mund war ausgedörrt, sie hatte Kopfschmerzen. Die verschwitzten Kleider klebten ihr am Leib.
Sie nahm einen kleinen Schluck aus der ledernen Trinkflasche und widerstand der Versuchung, sich satt zu trinken. Acht Tage ritten sie nun schon durch die Wüste, vor drei Tagen hatte sie zuletzt frisches Wasser getrunken, und immer noch nahm die Straße kein Ende. Die Landschaft ringsum war öde und trostlos, die
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