Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Nilpferd, Ammet! Ein Nilpferd auf dem Tempelberg!« Er überlegte kurz. »Fandest du nicht auch, dass Gesicht und Gestalt eine gewisse Ähnlichkeit mit…«
»Zum Glück ist Salomo offenbar nichts aufgefallen«, sagte die sanfte Stimme.
Khaba nickte grimmig. »Jedenfalls habe ich Bartimäus für seine Sünden gehörig ausgepeitscht, aber das reicht nicht! Die Peitsche ist viel zu gut für ihn.«
»Ganz meine Meinung, Herr«, bestätigte die sanfte Stimme. »Das ist jetzt seine allerletzte Chance. Vor einer Woche hat er Gezeri gequält und er wiegelt die anderen Dschinn auf. Er verdient eine angemessene Strafe, und zwar sofort.«
»Den Umkrempler, Ammet? Den Osiris-Sarg?«
»Zu milde… zu kurzlebig…« Der Ton der Stimme wurde dringlicher. »Herr«, raunte sie, »überlasst ihn mir. Ich leide Hunger und Durst. Ich habe schon so lange gefastet. Ich kann Euch dieses Ärgernis vom Hals schaffen und gleichzeitig meine Gelüste befriedigen.« Hinter dem Kopf des Zauberers schmatzte es vernehmlich.
Khaba brummelte ausweichend: »Mir ist es lieber, wenn du hungrig bist. Das hält dich wach.«
»Bitte, Herr…«
»Außerdem brauche ich alle meine Dschinn, und zwar lebendig, wenn wir die Wüste nach Banditen absuchen sollen. Hör mit dem Geflatter auf, Ammet. Ich lasse mir die Sache durch den Kopf gehen. Wenn wir nach Jerusalem zurückkehren, hast du noch reichlich Gelegenheit, dich um Bartimäus zu kümmern…«
»Wie Ihr meint.« Es klang trotzig.
Khaba hatte mit hängendem Kopf in seinem Pentagramm gestanden, weil er immer noch mit der Demütigung haderte, die ihm vom Schicksal auferlegt war. Nun aber richtete er sich hoch auf, seine Stimme klang fest und entschlossen. »Wir brechen gleich auf, aber erst müssen wir uns noch kurz mit einer gewissen Angelegenheit befassen. Vielleicht gibt es wenigstens in diesem Punkt gute Neuigkeiten…«
Er schnippte mit den Fingern und sprach eine Abfolge von Silben. Fernes Glockengeläut ertönte. Die Koboldlampen an der Decke bebten und die Tücher über den größeren Käfigen bauschten sich.
Der Zauberer spähte ins Dunkel. »Gezeri?«
Es stank betäubend nach faulen Eiern und neben dem Zauberer in seinem Pentagramm materialisierte sich eine kleine violette Wolke. Auf der Wolke saß der Foliot Gezeri, der heute als großer grüner Kobold erschien, mit langen Spitzohren und birnenförmiger Nase. Er vollführte eine Reihe komplizierter und teilweise ironischer Begrüßungsgebärden, die Khaba jedoch nicht weiter beachtete.
»Dein Bericht, Sklave!«
Der Foliot setzte eine unvergleichlich gelangweilte Miene auf. »Ich bin in Saba gewesen, wie Ihr mich ›gebeten‹ habt. Dort bin ich unsichtbar durch die Straßen gewandert und habe den Leuten zugehört. Seid versichert, dass mir kein Geflüster, kein Getuschel entgangen ist.«
»Da bin ich sicher – andernfalls würdest du jetzt im Schreckensfeuer brennen.«
»Das dachte ich mir auch.« Der Foliot kratzte sich die Nase. »Dafür musste ich mir jede Menge Blödsinn anhören. Was ihr Menschen für ein Leben führt – ich begreif’s nicht! Was eure teigigen kleinen Hirne alles umtreibt! Ist euch gar nicht bewusst, wie kurz eure Zeit auf Erden, wie winzig euer Lebensraum in diesem gewaltigen Universum ist? Und da sorgt ihr euch um die Mitgift eurer Töchter, um morsche Zähne und den Preis eines Kamels?«
Der Zauberer lächelte flüchtig. »Verschon mich mit deinen Ansichten, Gezeri. Mich interessiert das alles keinen Deut. Mich interessiert vielmehr, was Königin Balkis treibt. Nun?«
Gezeri zuckte die Achseln. »Mit einem Wort: nichts. Jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Soweit ich es beurteilen kann, geht sie ihren üblichen Tätigkeiten nach – betet im Tempel, trifft sich mit Kaufleuten, hört sich die Sorgen ihres Volkes an –, der übliche Kram, um den sich eine Königin so zu kümmern hat. Ich habe hinter den Kulissen herumgeschnüffelt und die Ohren weit aufgesperrt. Und was habe ich herausgefunden? Gar nix. Salomos Drohung scheint die Königin nicht zu beeindrucken.«
»Ihr bleiben nur noch fünf Tage«, sinnierte Khaba. »Fünf Tage… Bist du ganz sicher, dass sie kein Heer aufgestellt oder wenigstens ihre Verteidigungsanlagen verstärkt hat?«
»Was für ein Heer? Welche Verteidigungsanlagen?« Der Foliot zwirbelte seinen Schwanz und sagte verächtlich: »Saba hat doch gar kein richtiges Heer, sondern nur einen Haufen magerer Mädchen, die sich um die Königin scharen. Und die Priesterinnen haben sich
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