Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
stimmte ich ihm zu. »Und kräftige Lungen hat sie auch.«
»Und da wir beide, Bartimäus, schwer geschuftet haben und rechtschaffen ermattet sind…«
»Dämonen! Hört mir endlich zu!«
»Und da wir beide ein bisschen… nun ja, wählerisch sind…«
»Dämonen…«
»Warte mal eben, Faquarl.« Ich drehte mich um. »Es wäre schön, wenn du dieses Wort vermeiden könntest«, rief ich.
»Dämon ist eine äußerst herabwürdigende Bezeichnung. 50 Es ist kränkend, so angeredet zu werden. Die korrekte Anrede für unsereinen sollte in Richtung ›Hochverehrter Dschinn‹ beziehungsweise ›Gebieterischer Geist‹ gehen. Kapiert? Danke.«
Die Kleine riss die Augen auf, sagte aber nichts. Was durchaus wohltuend war.
»Entschuldige, Faquarl. Wo waren wir stehen geblieben?«
»Dass wir beide ein bisschen wählerisch sind. Also, was meinst du, Bartimäus? Niemand wird es erfahren. Hinterher fliegen wir zu unserem Herrn zurück und weiden uns an unserem Triumph. Bis zum Sonnenuntergang sitzen wir längst wieder alle auf der Baustelle ums Feuer. Salomo verzeiht Khaba, und der pfeift seinen Schatten zurück, sodass dir keine Gefahr mehr droht. Was hältst du davon?«
Sein Vorschlag klang nicht schlecht, besonders das mit dem Schatten. »Na schön«, sagte ich. »Aber ich kriege das Hinterteil.«
»Das ist ungerecht! Wer hat denn heute die meisten Utukku abgemurkst?«
»Du kannst dir vom Rest raussuchen, was du willst. Ich leg auch noch das Kamel drauf.«
In freundschaftlichem Geplänkel wandten wir uns wieder dem Mädchen zu. Doch sie schaute mit einer solchen Gewittermiene auf uns herab, dass sogar Faquarl zusammenzuckte. Sie hatte das Kopftuch abgestreift und das offene Haar floss ihr wie ein dunkler Wasserfall um den schlanken Hals. Ihr Antlitz war einschüchternd schön. Sie hatte die schlanken Arme ungnädig verschränkt. Trotz ihrer versengten Kleider und der zerzausten Frisur hatte das schmale Persönchen unter dem demolierten Baldachin auf dem erzhässlichen Kamel eine derartige Ausstrahlung, dass wir uns ganz klein machten und die Klappe hielten.
»Erhabene Geister«, sagte sie laut, »ich danke euch beiden für euer Einschreiten. Wäret ihr nicht rechtzeitig aufgetaucht und hättet ihr mir nicht beigestanden, wäre ich höchstwahrscheinlich genauso elend umgekommen wie die unglücklichen Kaufleute, die bis vor Kurzem noch meine Reisegefährten waren. Mögen ihre Seelen rasch ins Reich des Sonnengottes auffahren, denn sie waren Männer des Friedens! Doch nun hört, was ich euch sage. Ich bin eine Abgesandte und Bevollmächtigte der Königin von Himjar. Ich muss in einer höchst dringlichen Angelegenheit nach Jerusalem und mit Salomo von Israel sprechen. Vom Erfolg meines Auftrags hängt ungeheuer viel ab. Deshalb befeh…, äh, bitte ich euch, dass ihr mir helft, so rasch wie irgend möglich an mein Ziel zu gelangen. Wenn ihr einwilligt, werde ich vor eure Herren hintreten, wer immer sie sein mögen, und sie bitten, dass sie euch aus der Knechtschaft entlassen und wieder in den großen Abgrund 51 schicken, aus dem ihr gekommen seid.« Sie hob die Hand. »Das schwöre ich beim Sonnengott und beim heiligen Andenken meiner Mutter!«
Hallende Stille trat ein. Faquarl rieb sich die Hände. »Na schön«, sagte er, »fressen wir sie.«
»Aber sie hat doch gesagt, dass sie uns helfen will, die Freiheit wiederzuerlangen«, erwiderte ich unschlüssig.
»Glaub ihr kein Wort, Bartimäus. Sie ist ein Mensch. Sie lügt.«
»Stimmt schon, sie ist ein Mensch… aber sie hat das gewisse Etwas, findest du nicht? Sie erinnert mich ein bisschen an Nofretete.« 52
»Die hab ich nie kennengelernt«, sagte Faquarl geringschätzig. »Ich hatte damals bekanntlich in Mykene zu tun. Außerdem – und wenn schon? Mir knurrt der Magen.«
»Ich finde, wir sollten nichts überstürzen«, sagte ich. »Sie könnte sich bei Khaba für uns einsetzen und…«
»Red keinen Quatsch. Der hört doch nicht auf sie.«
»Oder bei Salomo…«
»Hahaha. Als ob sie auch nur in seine Nähe käme.«
Der Einwand war vermutlich vernünftig, aber ich ärgerte mich immer noch über Faquarls Bemerkungen von vorhin und war bockig. »Eins noch«, sagte ich. »Die Kleine kann unseren Kampf bezeugen.«
Faquarl überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Wir brauchen keine Zeugen. Die toten Utukku sind Beweis genug.«
»Sie hat uns mit ›Erhabene Geister‹ angesprochen…«
»Na und?« Faquarl knurrte ungeduldig und machte einen Schritt auf
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