Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
ein unsichtbarer Schutzpanzer den Teppich, denn der pfeifende Wind verschonte die Reisenden einigermaßen und in der Teppichmitte sammelten sich auch keine Eiskristalle, von denen die Fransen am hinteren Ende schon ganz steif waren. Trotzdem war es frisch. Asmira hatte ihren Beutel im Schoß und den Pelzmantel des Zauberers um die Schultern. Unter ihr wellte sich der dünne Teppich. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn der Dämon seine Last einfach abwarf. Neben ihr saß mit bloßem Oberkörper der Zauberer und blickte gelassen geradeaus. Asmira war froh, dass er nicht zu ihr herüberschaute und auch die Unterhaltung nicht wieder aufnahm – was bei dem tosenden Wind ohnehin zwecklos gewesen wäre.
Während des Fluges senkte sich die Nacht über die Erde. Im Westen färbte die verglühende Sonne den Horizont rot, aber die Landschaft unter ihnen lag bereits schwarz unter dem Sternenhimmel. Vor ihnen leuchteten die Lichter von Siedlungen, deren Namen Asmira nicht kannte. Es kam ihr vor, als bräuchte sie nur den Arm auszustrecken, um die Lichter unter der gewölbten Hand auszulöschen.
Dann tauchte endlich Jerusalem auf, das wie ein schillernder Schmetterling auf dem dunklen Stumpf des Berges saß. Wachfeuer brannten auf den Zinnen der äußeren Stadtmauer, grüne Hexenfeuer glommen in den Türmen. Innerhalb des Mauerrunds leuchteten Tausende kleinerer Lichter in Wohnhäusern und Marktbuden und hoch oben auf dem Gipfel des Berges erstrahlte der mächtige Palast König Salomos – so groß, prächtig und unangreifbar, wie er in allen Geschichten beschrieben wurde. Asmira bekam einen trockenen Mund und sie tastete verstohlen nach ihrem Dolchknauf.
Dann ging es steil nach unten. Kurz darauf flatterten neben ihnen ledrige Schwingen, ein Flammen speiendes Maul klaffte auf, eine kehlige Stimme fragte die Ankömmlinge nach ihrem Begehr. Asmira bekam eine Gänsehaut. Khaba blickte kaum auf, vollführte aber eine Gebärde und der beschwichtigte Wächter verschwand wieder in der Nacht.
Asmira verkroch sich tiefer in Khabas Mantel, obwohl dieser widerlich süß nach Totenhalle roch. Die Residenzstadt des Großen Königs war tatsächlich hervorragend bewacht – sogar hoch oben in der Luft, sogar bei Nacht. Königin Balkis hatte wie immer recht. Kein Heer und kein feindlicher Zauberer konnten ohne Weiteres in Jerusalem einfallen.
Doch ihr, Asmira, war es gelungen! Der Sonnengott stand ihr zur Seite. Wenn es ihm wohlgefällig war, würde es ihr auch noch gelingen, das zu tun, was getan werden musste.
Ihr wurde flau im Magen, ihre Haare flatterten. Der Teppich flog im Bogen zum Palast hinunter. Als er die Mauern überquerte, ertönte von den Brustwehren Hörnerklang, und es rumpelte donnernd, als sich die Tore Jerusalems für die Nacht schlossen.
Bartimäus
19
W as hab ich dir gesagt, Bartimäus?«, schimpfte Faquarl. »Nicht mal umgedreht hat sie sich!«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Ruckzuck hat sie sich neben Khaba gesetzt und die beiden sind davongesaust. Und wir? Sind wir etwa frei?«, setzte Faquarl in schneidendem Ton hinzu. »Sieh dich doch mal um!«
»Sie hat es immerhin versucht«, erwiderte ich.
»Aber besonders angestrengt hat sie sich nicht, oder?«
»Nein.«
»Es war allenfalls ein zaghafter Versuch.«
»Stimmt.«
»Bereust du jetzt doch, dass wir die Kleine nicht einfach gefressen haben?«
»Ja!«, rief ich. »Recht hast du! Ich bereu’s, dass wir sie nicht gefressen haben! Bist du jetzt zufrieden? Prima! Dann reib mir die Sache bitte nicht mehr andauernd unter die Nase!«
Um diesen Gefallen hätte ich ihn früher bitten sollen, denn er tat schon seit Stunden nichts anderes, als mich deswegen zu piesacken. Während der ganzen Aufräumarbeiten lag er mir damit in den Ohren, sogar beim Begraben der Toten, beim Stapeln der toten Kamele und den wiederholten Versuchen, den Scheiterhaufen in Brand zu stecken. Die ganze Zeit! Er hatte mir den Nachmittag echt versaut.
»Du weißt doch, dass Menschen immer zusammenhalten«, sagte er jetzt. »Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Und wenn die Menschen zusammenhalten, müssen wir auch zusammenhalten. Traue nie einem Menschen. Friss ihn, ehe er Unheil anrichten kann. Hab ich recht, Kumpels?« Aus allen Ecken des Turmdachs ertönten Beifall und zustimmende Rufe. Faquarl nickte zufrieden. »Die Jungs haben’s kapiert, Bartimäus. Warum, beim Zeus, willst du es nicht begreifen?«
Er legte sich wieder hin und
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