Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
zwirbelte seinen am Ende mit einem Widerhaken versehenen Schwanz. »Ich gebe ja zu, sie war ganz hübsch, wenn auch ein bisschen mager«, räumte er ein. »Ich habe den Verdacht, dass du dich von Äußerlichkeiten hast blenden lassen, Bartimäus. Peinlich für einen Dschinn, der keine bestimmte äußere Erscheinung sein Eigen nennen kann.«
Das hämische Lachen ringsum tat kund, dass die sechs anderen Kobolde seine Meinung teilten. Wir hatten inzwischen alle Koboldgestalt angenommen, einerseits, weil das Flachdach von Khabas Turm nicht genug Platz für größere Wesenheiten bot, aber vor allem, weil es unserer Stimmung entsprach. Manchmal präsentiert man sich freudig als edler Löwe, stattlicher Krieger oder pummeliges, fröhliches Kind – wenn man aber müde und gereizt ist und den Gestank von verbranntem Kamel nicht aus der Nase kriegt, dann tut es auch ein mürrischer Kobold mit Warzen am Hintern.
»Lacht nur«, knurrte ich. »Ich finde immer noch, dass es den Versuch wert war.«
Das meinte ich ernst, auch wenn Faquarl mit allem, was er sagte, recht hatte. Die Kleine hatte tatsächlich nur einen schlappen Anlauf genommen, sich für uns einzusetzen, sie war mit unserem abscheulichen Herrn entschwebt, ohne uns noch einen letzten Blick zu gönnen. Trotzdem bereute ich es nicht ganz und gar, sie verschont zu haben. Sie war irgendwie etwas Besonderes.
Es war nicht ihre äußere Erscheinung, wie mir Faquarl vorwarf, sondern vielmehr ihre Selbstbeherrschung, die furchtlose, direkte Art, als sie mit mir gesprochen hatte. Auch die Art, wie sie zugehört hatte, ruhig und hoch konzentriert. Es war ihr offenkundiges Interesse an Salomo und seinem Ring. Es waren ihre verschwommenen Kenntnisse der Geografie von Himjar. 56 Und es war auch (und nicht zuletzt) der ungewöhnliche Umstand, dass sie den Überfall in der Schlucht überlebt hatte. Außer ihr war niemand aus der ganzen Karawane am Leben geblieben, dabei waren ihre Mitreisenden mit reichlich Dschinnfängern und so weiter ausgestattet gewesen. 57
Das Mädchen mochte zu Recht behaupten, dass ihr Dolch den Utukku ein paar entscheidende Sekunden aufgehalten hatte, aber das war nicht die ganze Wahrheit. So hatte sie beispielsweise den edomitischen Zauberer mit einem einzigen Dolchwurf erledigt – das bewies erstens, dass sie hervorragend zielen konnte, und machte zweitens schon zwei Dolche. Einen dritten hatte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt, wo er bis zum Heft im weichen Sandstein steckte. Er war mit beachtlicher Kraft geschleudert worden, aber noch interessanter war der große Substanzfleck auf dem Fels. Der Fleck war zwar blass und zerlaufen, aber mein scharfes Auge hatte trotzdem einen Umriss mit abgespreizten Armen und Beinen, Hörnern und Flügeln erkannt – und mit staunend aufgerissenem Maul.
Vielleicht war es kein Utukku gewesen, aber mit Sicherheit irgendein Dschinn, und das Mädchen hatte kurzen Prozess mit ihm gemacht. In der Kleinen steckte mehr, als es den Anschein hatte.
Mit Priesterinnen hatte ich Erfahrung. Seit ich als junger Dschinn der grausamen Altpriesterin von Ur gedient hatte, ihr bei religiösen Zeremonien zur Hand gegangen war, (widerwillig) an ihren Massenopferungen von Hunden und Dienern teilgenommen und sie zu guter Letzt in einer mit Blei verkleideten, brunnentiefen Gruft bestattet hatte, 58 kenne ich mich mit Priesterinnen besser aus, als mir Heb ist. Ob es sich nun um Angehörige der wohlhabenden babylonischen Priesterinnenkaste handelt oder um die kreischenden Mänaden, die in Griechenland durchs Unterholz hüpfen, die Damen sind allesamt nicht ganz ohne. Es handelt sich durchweg um hochrangige Zauberinnen, und sie fackeln nicht lange, ehe sie einen Dschinn mit dem Substanzspeer erstechen, und das aus den nichtigsten Gründen (etwa weil man versehentlich ihre Stufenpyramide umgeworfen oder über ihre dicken Beine gelacht hat).
Für eine Eigenschaft waren sie jedoch nicht bekannt, nämlich für persönlichen Heldenmut im Schlachtgetümmel.
Wobei südarabische Priesterinnen natürlich eine Ausnahme darstellen konnten. Jedenfalls fand ich diese Priesterin Cyrine, die angeblich aus dem fernen Königreich Himjar stammte, deutlich spannender als den Durchschnittsreisenden und darum war ich froh, dass ich sie am Leben gelassen hatte.
Trotzdem hatte sich meine Nachsicht, wie Faquarl bereits angedeutet hatte (und zwar in epischer Breite), für uns nicht ausgezahlt. Die Kleine war auf und davon, wir waren immer noch
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