Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
es selbst sanft und unschuldig ist…« Die feuchten Augen nahmen einen versonnenen Ausdruck an, die Gefangenen in den Substanzkäfigen seufzten und säuselten leise. Der Zauberer riss sich zusammen. »Das dumme Ding hat mich überredet, euch freizulassen. Sie war überaus hartnäckig.« Khaba machte ein verkniffenes Gesicht. »Irgendwann habe ich nachgegeben, und da sie mein Gast ist und ich es ihr beim Gott Ra geschworen habe, handelt es sich um ein heiliges Gelübde. Und darum erhaltet ihr jetzt von mir, auch wenn es mir fürchterlich gegen den Strich geht, euren gerechten Lohn.«
In der kleinen Pause, die darauf folgte, versuchten Faquarl und ich zu begreifen, was das bedeuten sollte. Wir wälzten Khabas Worte in unseren Köpfen und behielten den Zauberer dabei argwöhnisch im Auge. 62
Khaba räusperte sich. »Was zögert ihr, Sklaven? Der Dschinn Faquarl soll der Erste sein, dem ich die Freiheit schenke. Tritt bitte in den Kreis.«
Er wies schwungvoll auf das Pentagramm. Die beiden Kobolde konnten nach einer weiteren Überprüfung auf keiner Ebene etwas Verdächtiges entdecken. »Anscheinend meint er es ehrlich«, sagte ich leise.
Faquarl zuckte die Achseln. »Das wird sich ja gleich herausstellen. Tja, Bartimäus, so oder so heißt es Abschied nehmen. Mögen tausend Jahre vergehen, bis wir uns wiedersehen!«
»Warum nicht zweitausend?«, erwiderte ich. »Aber bevor du gehst, sollst du noch zugeben, dass ich doch recht hatte!«
»Was die Kleine betrifft? Pffff… Kann sein, aber ich bleibe trotzdem dabei: Menschen sind zum Fressen da, und du bist ein Weichei.«
Ich grinste. »Du bist ja bloß neidisch, weil meine unbestechliche Intelligenz zu unserer Entlassung geführt hat. Ich habe gleich gespürt, dass Cyrine…«
»Cyrine? Ihr seid schon per Vornamen?« Faquarl schüttelte den runden Kopf. »Du bringst mich noch ins Grab, Bartimäus! Früher hast du Angst und Schrecken verbreitet, warst bei Königen und beim gemeinen Volk gleichermaßen gefürchtet. Du warst ein Dschinn von schrecklichstem Ruf. Heute kannst du nur noch junge Frauen anmachen – was für eine himmelschreiende Schande! Du brauchst es gar nicht abzustreiten, du weißt selber, dass es stimmt.« Er sprang in das Pentagramm und die schwarzen Kerzenflammen zuckten und knisterten. »Ich wäre dann so weit«, wandte er sich an den Zauberer. »Mach’s gut, Bartimäus. Und denk mal drüber nach, was ich gesagt habe.«
Schon räusperte sich der Zauberer und sprach die Entlassungsformel. Es war eine ägyptische Abwandlung des kernigen sumerischen Originals und für meinen Geschmack ein bisschen zu weitschweifig und blumig, aber auch wenn ich die Ohren noch so spitzte, ich konnte nichts Nachteiliges heraushören. Auch Faquarls Reaktion ließ nichts zu wünschen übrig. Als der Zauberer die letzten Worte gesprochen hatte und der Bann sich löste, stieß der Kobold im Kreis einen Freudenschrei aus, machte einen Luftsprung und war verschwunden. 63 Ein leiser Nachhall war zu vernehmen, aus den Substanzkäfigen ächzte es leise, dann herrschte Stille.
Faquarl war fort. Faquarl war frei.
Das verscheuchte alle meine Bedenken. Auch der zweite Kobold sprang entschlossen in den Kreis. Ich streckte noch schnell dem verdrießlich in einem Winkel hockenden Gezeri die Zunge heraus, dann stellte ich mich aufrecht hin, setzte eine kecke Miene auf und wandte mich dem Zauberer zu.
»Ich wäre dann so weit«, rief ich.
Khaba hatte in einem Papyrus geschmökert und wirkte ein bisschen geistesabwesend. »Ach ja, Bartimäus… Augenblick.«
Ich nahm eine noch lässigere Haltung ein, stellte mich auf meinen O-Beinen breitbeinig hin, stemmte die Pfoten in die Hüften, legte den Kopf in den Nacken und reckte das Kinn. Dann wartete ich.
»Von mir aus kann’s losgehen«, sagte ich nach einer Weile.
Der Zauberer blickte nicht einmal auf. »Ja, ja…«
Ich änderte meine Haltung ein weiteres Mal, verschränkte die Arme vor der Brust, überlegte, ob ich mich noch breitbeiniger hinstellen sollte, entschied mich dann aber dagegen. »Ich bin immer noch da«, sagte ich.
Khaba hob ruckartig den Kopf. Im blaugrünen Schummerlicht glänzten seine Augen wie die einer Riesenspinne. »Die Wortfolge ist korrekt«, stellte er fest. »Die Prozedur müsste gelingen…«
Ich hüstelte höflich. »Das freut mich ungemein. Wenn Ihr mich jetzt entlassen würdet, könntet Ihr Euch gleich wieder Eurer Arbeit widmen… was immer Ihr da treibt…« Meine Stimme verklang. Das Funkeln in
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