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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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damit bestätigt, nämlich dass mein Gegenüber überragend mächtig war.
    Die Erscheinung der Wesenheit hatte sich nicht geändert. Sie glich immer noch dem Zauberer, nur war sie deutlich größer als das Original. Der Schatten lehnte sich gegen einen Tisch, verschränkte die Arme und kreuzte lässig die Beine übereinander. Dort, wo er eine Gliedmaße anwinkelte, war er kaum zu erkennen, denn er verfügte über keinerlei Dichte. Die Dunkelheit, aus der er bestand, war hauchdünn und fast durchsichtig wie schwarzer Schleierstoff. Auf den unteren Ebenen verschmolz er mit dem Halbdunkel des Kellers, auf den höheren wurde er allmählich sichtbarer, bis er auf der siebenten Ebene scharf umrissen war.
    Er hatte den gesichtslosen Kopf – eine oben abgerundete Verdichtung körniger Dunkelheit – leicht schief gelegt, als musterte er mich interessiert. Dabei wiegte er den Körper ein wenig hin und her wie die Kobra eines Schlangenbeschwörers. Die nicht mehr mit dem Zauberer verbundenen Beine liefen in zwei Spitzen aus, Füße hatte das Wesen keine.
    »Wer oder was bist du?«, fragte ich.
    Er hatte keine Ohren, aber er hörte mich. Er hatte keinen Mund, aber er sprach.
    »Ich bin Ammet.« Seine Stimme war leise wie rieselnder Staub in einer Gruft. »Ich bin ein Marid.«
    Also daher wehte der Wind! Ein Marid! Na ja – es hätte schlimmer kommen können. 64
    Der Speerträger schluckte. Durch eine dämliche Schrulle der Akustik wurde sein peinlich schmerzhaftes Würgen von den Wänden des Gewölbes mehrfach zurückgeworfen und bei jedem Mal lauter. Der Schatten wartete geduldig. Aus den Substanzkäfigen jenseits der Säulen drang nur gespannte Stille.
    Mein Lächeln, das ich aufsetzte, als es wieder ruhig war, wirkte womöglich ein wenig künstlich, trotzdem gab ich mir damit Mühe und verneigte mich tief. »Fürst Ammet«, sagte ich, »die Freude ist ganz meinerseits. Ich habe Euch schon von Weitem voller Bewunderung beobachtet und freue mich sehr, endlich unter vier Augen mit Euch sprechen zu können. Wir beide haben viel zu bereden.«
    Der Schatten schwieg, schien aber in Khabas Papyrus zu lesen. Ein langer, durchscheinender Arm schlängelte sich vorwärts und stellte die Kristallflasche in die Mitte des Kreises vor meine Füße.
    Ich trat unauffällig ein Stück zurück und räusperte mich. »Wie gesagt, wir beide haben viel zu besprechen und sollten auf keinen Fall etwas überstürzen. Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich Euch als mächtigen Geist anerkenne und mich vor Eurer Macht verneige. Ich kann mich in keinerlei Hinsicht mit Euch messen.« 65
    Das war natürlich genau die Art unterwürfiger Schmeichelei, für die ich das Mädchen noch am Nachmittag gerügt hatte, aber jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt, pingelig zu sein. Mir grauste davor, jahrzehntelang in der Flasche festzusitzen, ja ich hätte dem Schatten sogar eine Ganzkörpermassage mit duftendem Öl verabreicht, wenn ich mir etwas davon versprochen hätte.
    Aber so weit musste es hoffentlich gar nicht erst kommen, denn ich glaubte, einen Ausweg entdeckt zu haben.
    »Doch so mächtig Ihr seid und so nichtig ich selbst bin«, fuhr ich fort, »in einer Hinsicht sind wir beide gleich, nicht wahr? Beide sind wir Sklaven des niederträchtigen Khaba, eines Mannes mit einem sogar für Zaubererverhältnisse ungewöhnlich niederträchtigen Charakter. Schaut Euch doch um! Seht Euch an, wie er seine Untergebenen quält. Hört Ihr sie seufzen und klagen? Diese Substanzkäfige sind die Erfindung eines Sadisten!«
    Während dieses wohl formulierten Auftakts hatte mich der Schatten scharf im Auge behalten. Ich machte eine Kunstpause, weil ich ihm Gelegenheit geben wollte, mir beizupflichten, aber er wiegte sich nur kobrahaft hin und her und hielt den nicht vorhandenen Mund.
    »Mir ist schon klar, dass du dich an Khabas Befehle halten musst«, fuhr ich in vertrauterem Ton fort. »Du stehst genauso in seinen Diensten wie ich. Aber bevor du mich in die Flasche sperrst, solltest du eines bedenken: Mein bevorstehendes Schicksal ist grausam – aber ist deines auch nur einen Deut besser? Ich bin künftig ein Gefangener, aber du genauso, denn wenn der Zauberer zurückkehrt, musst du wieder unter seine Füße huschen und ihm durch Staub und Schmutz folgen. Khaba tritt dich jeden Tag mit Füßen! Eine Behandlung, die schon für einen Kobold erniedrigend wäre, von einem erhabenen Mariden ganz zu schweigen. Sieh dir doch Gezeri an«, ich kam allmählich in Schwung,

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