Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Schutz der Säulen befördert.
»Du liebst deinen Herrn?«, rief ich über die Schulter. »Du spinnst doch!«
Der Schatten brüllte: »Du kannst nicht abhauen, Bartimäus! Der Keller ist versiegelt.«
»Wer spricht denn hier von Abhauen?«
In Wirklichkeit war mir längst klar, dass ich verloren war. Und zwar in mehr als einer Hinsicht. Der Marid war zu stark, als dass ich ihn im Zweikampf besiegen, und zu schnell, als dass ich ihm davonfliegen konnte. Selbst wenn es mir irgendwie gelang, aus dem Keller zu entkommen, selbst wenn ich mich auf die höchsten Gipfel des Libanon-Gebirges flüchtete – Khaba war und blieb immer noch mein Herr und ich sein Diener, den er jederzeit zurückholen konnte wie einen Hund an der langen Leine. Der Zauberer konnte mit mir machen, was er wollte, da gab ich mich keinen falschen Hoffnungen hin.
Eine Kleinigkeit hatte ich aber noch zu erledigen, ehe ich mich in das Unvermeidliche ergab.
»Der Bursche liebt seinen Herrn…!« Ich kurvte zwischen den Säulen umher und verlieh meinem Abscheu ungehemmt Ausdruck. Aus meinen Fäusten flogen, begleitet vom Ra-ta-tat eines assyrischen Pfeilangriffs, ganze Breitseiten feuriger Blitze und versengten die Luft, ehe sie sich in ihre Ziele bohrten. Tische barsten, Messer und Scheren zersprangen und schmolzen, Mumientröge explodierten. »Liebt seinen Herrn…!«, fauchte ich, verwüstete einen Schädelschrank und verwandelte einen ganzen Satz unschätzbar wertvoller Keilschrifttafeln in Tonkrümel. 68 »Wie kann ein Geist bloß so tief sinken, das begreife ich einfach nicht!«
»Unverschämter Dschinn! Gleich wirst du dich in Qualen winden!«, raunte es durchs Säulenlabyrinth. Ein roter Blitz flammte auf. Ein knisternder Schüttler prallte von der Gewölbedecke ab, sauste im Zickzack zwischen den Säulen hindurch und streifte mich an der Hüfte, worauf ich in einem Substanzschauer zu Boden ging. Das Geschoss setzte seinen Weg fort, prallte von der nächsten Wand ab und steckte ein Gestell mit Mumien in Brand.
»Echt schade drum!«, rief ich und rappelte mich auf. »Der Satz war fast komplett – einer aus jeder Dynastie. Khaba wird sich freuen!«
Der Schatten besann sich auf seine alte Taktik und schwieg. Ich humpelte hinter eine Säule, legte die Flügel an und wartete.
Stille. Keine weiteren Angriffe. Offenbar hatte sich Ammet für größtmögliche Schadensbegrenzung entschieden.
Ich wartete eine ganze Weile. Dann linste ich um die Säule herum. Der Keller war jetzt noch schummriger, weil etliche Koboldlampen gelitten hatten und ständig an- und ausgingen. Ein paar waren bei unserem magischen Geballere auch ganz kaputtgegangen. Aus den Spalten im Boden qualmte es, aus den Löchern in den Wänden rieselte brennender Schutt – große und kleine Brocken und ein Regen roter Funken, die aufflackerten und erloschen.
Ich wartete.
Dann sah ich durch die Säulen eine dunkle Gestalt auf mich zugleiten wie einen Haifisch durch ein Korallenriff. Der runde Kopf wendete sich suchend hin und her.
Gleich war es vorbei.
Ich hob den kleinen Finger und sandte einen Impuls in hohem Bogen quer durch den Qualm. Der Impuls ging auf der gegenüberliegenden Seite des Kellers nieder, wo er klickend auf eine Steinbank prallte.
Der schwärzliche Kopf fuhr herum, der Schatten flitzte blitzschnell in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Ich meinerseits flog pfeilschnell in die entgegengesetzte Richtung, wobei ich mich dicht an der Wand hielt.
Da waren sie – die Substanzkäfige. Dutzende, Hunderte, die im abscheulichen grünen Schein ihrer Kraftnetze vor sich hin glommen wie Baumpilze.
Hätte ich mehr Zeit gehabt, ich hätte einen nach dem anderen entzweigeschlagen, und zwar so, dass ich den geschwächten Insassen möglichst wenig unnötige Schmerzen zugefügt hätte.
Aber ich hatte keine Zeit und würde wohl auch keine zweite Gelegenheit bekommen. Darum feuerte ich zwei Schüttelkrämpfe ab. Die hellgelben Feuerstreifen schwollen zu strudelnden Kraftkegeln an, schoben die Käfige zusammen, wirbelten sie in die Luft, zerfetzten die Kraftnetze und durchtrennten den Eisendraht.
Ich nahm die Magie zurück. Die Käfige fielen zu Boden. Manche zerbarsten in tausend Stücke, andere brachen auf wie Eierschalen. Doch in dem schwelenden Berg rührte sich nichts.
Jemand baute sich hinter mir auf. Lange Finger legten sich um meinen Hals.
»Was hast du getan, Bartimäus?«, raunte der Schatten. »Was hast du getan?«
»Zu spät!«, japste ich.
So war
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