Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
in die Schwänze bissen, hingen gerade so hoch, dass ein Mensch nicht heranreichte. Der Säulengang rechts und links von der Tür war oben mit einem Zinnenrelief versehen. Blau glasierte Mosaike stellten Löwen, Kraniche, Elefanten und Furcht einflößende Dschinn dar.
»Tut mir leid, dass Ihr diesen Seiteneingang benutzen müsst«, sagte der Zauberer. »Der Haupteingang ist dem König und den gelegentlichen Staatsbesuchen anderer Könige, die sich ihm unterworfen haben, vorbehalten. Ich werde aber Sorge tragen, dass Ihr mit gebührenden Ehren empfangen werdet.«
Er klatschte leise in die Hände. Sogleich schwangen die Türen an den geölten Scharnieren geräuschlos nach innen auf. In dem weitläufigen, dämmrigen Empfangssaal erblickte Asmira die Kobolde, welche die schweren Türflügel an dicken Seilen aufgezogen hatten. Dazwischen wartete ein Spalier von Fackelträgern. Die langen, hoch auflodernden Fackeln waren an den Gürteln der Männer befestigt und wurden mit Ketten aufrecht gehalten. Jetzt neigten die Fackelträger grüßend den Kopf und traten beiseite. Der Teppich glitt durch die Tür und landete auf dem Marmorfußboden.
Ärgerlicherweise wurde Asmira nicht sofort zu Salomo geführt, denn nun eilten tuschelnde Diener herbei und führten die beiden Ankömmlinge in den nächsten Saal. Zwischen den Säulen lagen pompöse Seidenkissen, lächelnde Kinder – die Asmira verdächtig und nicht unbedingt menschlich vorkamen – servierten Gläser mit eisgekühltem Wein.
Die nächste halbe Stunde fand Asmira fast so schrecklich wie den Überfall in der Schlucht: ein vertrauliches Gespräch mit dem Zauberer, der, vom Weingenuss angeregt, immer aufdringlicher wurde. Seine großen sanften Augen blickten Asmira schmachtend an, seine bleiche Hand glitt auf den Kissen immer näher, und die junge Frau musste an sich halten, um nicht von ihm abzurücken. Khaba war gleichbleibend höflich und freundlich, wenn auch ein wenig herablassend, wiegelte Asmiras Wunsch, sofort mit dem König zu sprechen, jedoch immer wieder ab und reagierte ausweichend, wenn die junge Frau nachhakte, wann die Audienz denn stattfinden würde. Asmira machte gute Miene zum bösen Spiel, beteuerte dem Zauberer überschwänglich ihre Dankbarkeit und überschüttete ihn mit billigen Komplimenten.
»König Salomo muss wirklich ein überaus mächtiger Mann sein«, säuselte sie, »wenn so ein fähiger Magier wie Ihr in seine Dienste tritt!« Sie gab vor, einen Schluck Wein zu trinken.
»Ja, der König ist ein mächtiger Mann«, erwiderte Khaba in einem unvermittelten Anflug schlechter Laune unwirsch.
»Wenn ich doch nur endlich mit ihm sprechen könnte!«
»Seid auf der Hut, Priesterin«, sagte Khaba. »Salomo ist nicht immer gütig, auch nicht zu hübschen jungen Frauen wie Euch. Angeblich hat er einmal sogar…« Der Zauberer schaute sich wachsam um und senkte die Stimme. »Es heißt, eine seiner Ehefrauen, eine anmutige Phönizierin, habe ihm mehr Wein als sonst eingeflößt, als sich beide auf ihrem Lager vergnügten. Als der König schlief, streifte sie ihm den Bing vom Finger. Der Ring war schon über das vorderste Gelenk geglitten, als Salomo von einem Vogelruf vor dem Fenster erwachte. Ihr habt vielleicht gehört, dass er mit den Vögeln sprechen kann. Seither spukt die Phönizierin als weiße Eule mit glühenden Augen in den Pinienwäldern des Kidrontales umher. Ihr Schrei kündigt den Tod eines Mitglieds des Königshauses an.« Khaba trank nachdenklich einen Schluck. »Ihr seht, Salomo kann auch grausam sein.«
Asmira hatte mit gespieltem Interesse zugehört, dachte allerdings insgeheim, dass sich die Phönizierin ziemlich dumm angestellt hatte, indem sie versuchte, dem König den Ring abzustreifen, wo doch ein beherzter Streich mit dem Messer genügt hätte. »So ein König muss wohl manchmal grausam sein, wenn er sein Eigentum verteidigt. Doch Ihr seid ein gütiger Mensch, großer Khaba. Wobei mir einfällt… werdet Ihr denn nun die beiden Dämonen entlassen, die mir das Leben gerettet haben?«
Der Zauberer verdrehte die Augen und rief theatralisch: »Ihr seid wahrhaft unerbittlich, Priesterin Cyrine! Aber Ihr dürft Euch freuen: Noch heute Nacht will ich die beiden Sklaven aus meinen Diensten entlassen!«
Daraufhin warf Asmira dem Zauberer ihrerseits einen Schmachtblick zu. »Schwört Ihr mir das, o Khaba?«
»Gewiss, gewiss. Ich schwöre es beim großen Gott Ra und allen Göttern von Ombos… unter der Bedingung«, er beugte sich
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