Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
ließ sie nach Jerusalem bringen.« Das magische Licht ließ die Augen des Zauberers aufblitzen. »Wie gefallt Euch der Palast, Priesterin? Ist er nicht beeindruckend?«
»Er ist sehr groß. Größer als die Burg der Königin von Himjar, wenn auch nicht so schön.«
Der Wesir lachte. »Wurde die Burg Eurer Königin etwa auch in einer einzigen Nacht errichtet wie dieser Palast? Salomo wollte, dass seine Residenz die Pracht von Babylon überstrahlt. Was tat er? Er rief den Geist des Ringes! Der Geist befahl neuntausend Dschinn hierher, ein jeder hatte Eimer und Schaufel dabei und war mit Schmetterlingsflügeln ausgestattet, damit Salomos Frauen im Harem am Fuß des Berges nicht erwachten. Im Morgengrauen wurde der letzte Stein eingefügt und aus den Brunnen in den Gärten sprudelte Wasser. Salomo nahm sein Frühstück unter Orangenbäumen ein, die aus fernen östlichen Landen herbeigeschafft worden waren. Der Palast war von Anfang an ein Haus der Wunder, so eines wie man es noch nie auf der Welt gesehen hatte!«
Asmira musste an die Lehmziegeltürme von Marib denken, die seit vielen Hundert Jahren mit beträchtlichem Aufwand instand gehalten und jetzt von ebenjenem Ring bedroht wurden. Doch sie bezähmte ihren Zorn und erwiderte in ungläubigem Ton: »In einer einzigen Nacht! Das kann doch nicht alles das Werk eines kleinen Ringes sein!«
Ein verhangener Seitenblick streifte sie. »Doch.«
»Woher stammt der Ring eigentlich?«
»Wer weiß das schon? Ihr könnt Salomo ja fragen.«
»Hat er ihn vielleicht selbst erschaffen?«
Die grünäugige Maus quiekte belustigt. »Das glaube ich nicht!«, sagte der Wesir. »In seiner Jugend war Salomo ein Zauberer von bescheidenen Fähigkeiten, er gehörte mitnichten zu den ganz großen. Aber er hegte schon immer eine Leidenschaft für die Rätsel der Vergangenheit, für die Zeiten, da die ersten Zauberer die ersten Dämonen aus dem Abgrund in diese Welt heraufbeschworen. Salomo sammelte Kunstgegenstände aus jenen frühen Kulturen und reiste zu diesem Zweck kreuz und quer durch den Osten. Es heißt, eines Tages habe er sich verlaufen und sei auf eine uralte Ruinenstadt gestoßen, wo er zufällig den Ring entdeckte, der dort vor den Blicken von Menschen und Geistern seit langen, langen Jahren verborgen lag.« Der Wesir lächelte grimmig. »Ob die Geschichte stimmt, weiß ich nicht, ich weiß nur eins: Seit Salomo den Ring am Finger trägt, war ihm das Schicksal wohler gesinnt als jedem anderen Menschen unserer Zeit.«
Asmira seufzte mädchenhaft: »Ach, könnte ich doch nur mit ihm sprechen!«
»Leider seid Ihr nicht die Einzige, die diesen Wunsch hegt. Andere Bittsteller sind mit ähnlichen Anliegen wie Eurem in Jerusalem eingetroffen. Hier! Das ist der Aussichtsbalkon über dem Magiersaal. Ihr dürft gern einen Blick hinunterwerfen, ehe wir hineingehen.«
Vom Flur ging eine Art Erker ab, in deren Wand sich eine große Öffnung befand. Durch die Öffnung drangen helles Licht und Stimmengewirr.
Asmira legte die Hände auf den kalten Marmor und beugte sich vor.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Sie schaute auf einen riesengroßen, von schwebenden Koboldkugeln hell erleuchteten Saal hinunter. Die wuchtigen dunklen Deckenbalken waren so lang wie ganze Bäume. Die halbrunden Wandpfeiler waren mit magischen Runen verziert, auf den Wänden sah man Fresken mit tanzenden Tieren und Geistern. An den langen Tischreihen saß eine vielköpfige Gesellschaft aus Männern und Frauen, aß von goldenen Tellern und trank aus goldenen Bechern. Auf Servierplatten türmten sich Speisen aller Art. Weiß geflügelte Dschinn in Gestalt gold gelockter Knaben flogen mit Krügen über den Tischen hin und her. Sobald irgendwer die Hand hob oder einen Befehl rief, kamen sie herbei und schenkten großzügig rot funkelnden Wein nach.
Asmira sah noch mehr verschiedene Volksstämme als in Eilat. Manche der Tafelnden konnte sie nicht einordnen: seltsam hellhäutige Männer mit rötlichen Bärten und pelzbesetzter, robuster Kleidung und elegante Damen, deren Kleider mit Jadeplättchen bestickt waren. Die fröhliche Tischgesellschaft aß, trank und plauderte, während von einem Fresko über ihren Köpfen ein gemalter König über den Saal wachte.
Er war auf einem Thron sitzend dargestellt, hatte dunkle Augen und ein gut geschnittenes Gesicht. Lichtstrahlen umkränzten ihn. In gelassener Majestät blickte er auf das Treiben hinunter, und an seinem Finger trug er einen Ring.
»Alle diese Leute wollen,
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