Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
wie Ihr auch, den Rat des Königs erbitten«, sagte der Wesir neben ihr sachlich. »Wie Ihr haben sie Angelegenheiten von höchster Dringlichkeit mit ihm zu besprechen. Da werdet Ihr begreifen, dass es keine einfache Aufgabe ist, sie alle zufriedenzustellen. Wir geben uns Mühe, die Wartenden zu füttern und zu tränken. Die meisten beklagen sich nicht, manche vergessen sogar, weshalb sie eigentlich hergekommen sind.« Er lachte in sich hinein. »Kommt, schließt Euch ihnen an. Wir haben schon ein Gedeck für Euch aufgelegt.«
Er drehte sich nach Asmira um. Sie folgte ihm mit brennenden Augen und trockenem Mund.
Asmira
22
I mmerhin war das Essen gut, sodass Asmira eine Weile ganz mit Braten, Butterbrot, Trauben, Honigkuchen und dunkelrotem Wein beschäftigt war. Der Lärm schlug über ihr zusammen, sie fühlte sich darin geborgen. Schließlich lehnte sie pappsatt und angenehm benebelt in einem Kissen und schaute sich um. Sie glaubte dem Wesir, dass man in dieser Umgebung den Grund seines Besuchs vergessen konnte. War das etwa Salomos Absicht? Mit zusammengekniffenen Augen spähte sie zu dem gemalten König hoch.
»Ihr seid neu hier, stimmt’s?«, fragte ihr Tischnachbar und spießte das Messer in ein glasiertes Stück Fleisch auf seinem Teller. »Herzlich willkommen! Ihr müsst unbedingt eine Wüstenspringmaus kosten!«
Er sprach arabisch, wenn auch mit Akzent. »Ich kann schon nicht mehr, vielen Dank«, erwiderte Asmira. »Wartet Ihr auch auf eine Audienz beim König?«
»Allerdings. Unser Dorf braucht dringend einen Damm. Im Frühjahr führt der Fluss reichlich Wasser, aber es fließt alles vorbei und im Sommer verdorren die Felder. Salomo braucht nur an seinen Ring zu fassen, und unser Problem wäre gelöst. Ein, zwei Afriten oder Mariden würden schon ausreichen.« Er biss herzhaft ab und fragte kauend: »Und Ihr?«
»Ich will eine ähnliche Bitte vorbringen.«
»Ich möchte den König bitten, ob er nicht in unserem Tal Terrassen anlegen kann.« Die Sprecherin saß Asmira gegenüber und hatte leuchtende, fast fieberglänzende Augen. »Die Hänge sind nämlich furchtbar steil. Aber für seine Sklaven wäre das ein Klacks und dem König macht es keine Mühe.«
»Aha. Wie lange wartet Ihr schon hier?«
»Fünf Wochen, aber ich bin bald an der Reihe. Ich gehöre zu den Glücklichen, die an der nächsten Audienz teilnehmen dürfen!«
»Das hat man mir vor zwei Wochen auch erzählt«, brummte ein anderer Mann mürrisch.
»Ich bin schon einen ganzen Monat hier – nein, sogar zwei Monate!«, verkündete Asmiras Tischnachbar kauend. »Aber ich will mich nicht beschweren, es wartet sich hier wirklich angenehm.«
»Das kann man so sehen«, sagte der Mürrische, »aber mein Land braucht sofort Hilfe. Uns Hethitern droht eine Hungersnot. Warum schickt der König seine Dämonen nicht gleich aus und hilft allen, die in diesem Saal sitzen? Wozu hält er uns so lange hin? Wahrscheinlich ist er zu beschäftigt.«
»Mit seinen Frauen«, meinte der Erste.
»Er wird uns schon noch anhören«, sagte die Frau mit den leuchtenden Augen. »Ich freue mich so darauf, ihn endlich zu sehen.«
»Wie – Ihr habt Salomo bis jetzt nicht einmal gesehen?«, rief Asmira. »Die ganzen fünf Wochen nicht?«
»Aber nein. Er kommt niemals hier herunter. Seine Gemächer liegen auf der anderen Seite der Gärten. Aber ich sehe ihn ja bei der nächsten Audienz – wenn auch nicht richtig aus der Nähe, habe ich gehört. Man steht dort zwar vor ihm, aber zu seinem Thron führen mehrere Stufen hoch, trotzdem…«
»Wie viele Stufen denn?«, fragte Asmira. Mit dem Dolch traf sie auf vierzig Fuß Entfernung.
»Das weiß ich leider nicht. Aber Ihr werdet es ja bald selbst feststellen, meine Liebe. In ein, zwei Monaten.«
Nach diesem Wortwechsel hielt sich Asmira aus der Unterhaltung heraus. Sie setzte ein unnahbares Lächeln auf, aber sie hatte Magenschmerzen. Sie hatte weder zwei Monate Zeit noch einen. Ihr blieben zwei Tage, um sich Zutritt zum König zu verschaffen. Zwar war sie in seinen Palast vorgedrungen, aber das nützte ihr nichts, wenn sie zwischen diesen Dummköpfen untätig herumsaß. Sie schaute sich noch einmal um und konnte nur den Kopf schütteln, wie eifrig die anderen über ihre Wünsche und Hoffnungen schwatzten. Wie blind sie waren! Wie besessen von ihren nichtigen Anliegen! Sie ahnten nichts von Salomos Niedertracht.
Wütend ließ sie den Blick durch den vollen Saal wandern. Die Macht des Königs beruhte
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