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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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unaufhörlichen wirbelnden Tanz…
    … und hielt inne.
    Ganz kurz hielten sich mein ungeduldiges Vorwärtsstreben und der jähe Sog die Waage. Ich schwebte auf der Stelle und hatte gerade noch Gelegenheit, einen Schreck zu bekommen…
    Dann wurde ich der Unendlichkeit unsanft entrissen und trat wieder in die Beschränkungen der Zeit ein, die ich doch eben erst verlassen hatte. Es ging alles so schnell, dass ich auf dem Rückweg beinahe mit mir selber zusammengestoßen wäre.
    Wie goldener Regen rieselte ich in einen endlosen Schacht.
    Der Schacht verengte sich und ich landete.
    Ich schaute mich um. Ich war in einem auf dunkelroten Stoff gemalten Pentagramm gelandet. Dahinter verhüllten seidene Vorhänge die Zimmerecken wie Spinnweben. Die Luft war schwül und mit Weihrauchduft geschwängert. Rötliches Kerzenlicht spiegelte sich auf dem Marmorfußboden wie der Widerschein einer Blutlache.
    Ich war wieder auf der Erde.
    Ich war wieder auf der Erde! Verwirrung und Entsetzen mischten sich in die neuerlich einsetzenden Schmerzen. Mit einem Wutschrei erhob ich mich in Gestalt eines rothäutigen Dämons aus dem Bannkreis, schlank, geschmeidig und rachsüchtig. Meine Augen waren gleißende Goldkugeln, die dornenschmalen Pupillen huschten hin und her. Unter dem vorspringenden Knorpelgebilde, das mir als Nase diente, klaffte ein knurrendes, mit spitzen Hauern bewehrtes Maul. 71
    Der Dämon duckte sich tief und beäugte seine Umgebung. Er musterte das Tuch, auf dem er stand, und die Jadegewichte, mit denen die Ecken beschwert waren. Er betrachtete die flackernde Öllampe auf dem Fliesenboden, die Wachskerzen und die Schalen mit brennendem Weihrauch. Er entdeckte einen gewissen rotbraunen Lederbeutel, der halb offen auf einem Seidendiwan stand. Sein Blick fiel auf einen umgestürzten Sockel und eine in tausend Scherben zersprungene Flasche…
    Dann erblickte er ein anderes Pentagramm auf einem anderen Stück Stoff. Und in diesem Pentagramm stand…
    »Bartimäus von Uruk«, rezitierte die kleine Araberin, »ich binde dich mit den Kräften von Nakrah und den Fesseln von Marib, welche beide höchst schmerzhaft und grausam sind, auf dass du fortan meine Befehle befolgst oder aber im Feuer verbrennst. Harre in deinem Bannkreis aus, bis ich dir eine Aufgabe zuweise, die du unverzüglich und mit vollem Einsatz, ohne Umwege und Verzögerungen erledigst, anschließend kehre zur angegebenen Zeit an den angegebenen Ort zurück, so ich dir beides nennen werde…«
    So ging es endlos weiter. Die Formel klang ziemlich altmodisch, um nicht zu sagen umständlich, und wurde in einem verzwickten südarabischen Dialekt vorgetragen, dem ich nur mit Schwierigkeiten folgen konnte. Andererseits war ich ja nicht von vorgestern. Der Fall war klar.
     
    Ich gebe zu, dass ich bestürzt und verwirrt war. Aber sobald ich in einem Pentagramm stehe, greifen die jahrhundertealten Regeln. Wer mich auch beschwört, riskiert sein Leben, ganz gleich, was vorher war. Und die Kleine war noch nicht außer Gefahr.
    Sie sprach die Bindeformel in einer Art Trance, stand steif und hoch aufgerichtet da und schwankte nur leicht vor Anstrengung. Sie ballte die kleinen Fäuste und drückte die Arme an die Seiten wie angenagelt. Ihre Augen waren geschlossen, sie rezitierte die Siegelsprüche, die mich bändigten, abgehackt wie ein Metronom.
    Der rothäutige Dämon schob sich unauffällig ein Stück vor, seine Klauen gruben sich in den Stoff unter seinen Füßen. Meine goldenen Augen glänzten im Kerzenrauch. Ich wartete auf den Versprecher oder das kurze Stocken, die es mir gestatten würden, meine Fesseln wie Papyrus zu zerreißen und mit der Kleinen auf gleiche Art zu verfahren.
    »Gleich hast du’s geschafft«, soufflierte ich. »Jetzt bloß nichts durcheinanderbringen. Achtung… jetzt kommt der schwierigste Teil. Und du Ärmste bist so müde, so furchtbar müde… so müde, dass ich es beinahe schmecken kann!« Ich malmte hörbar mit den Zähnen.
    Da erbleichte sie, wurde blasser als der Schnee auf den Berggipfeln. Aber ihr unterlief kein Versprecher, sie stockte nicht. 72 Und nur zu bald spürte ich, wie sich die Fesseln enger um mich schlossen.
    Meine sprungbereiten Muskeln erschlafften.
    Das Mädchen sprach die letzten Worte und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß vom Gesicht.
    Sie blickte mich an.
    Im Zimmer war es still.
    »Was, bitte schön«, fragte ich, »hast du dir dabei gedacht, hä?«
    »Ich habe dich soeben erlöst.« Sie war noch ganz außer Atem,

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