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Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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die verborgenen Spitzel in den Fugen der Bodenfliesen und die Wachgeister unter den Decken der Wandelgänge lauerten. Das alles erkannte ich am Wehen der Wandbehänge, an den Mustern in den Teppichen, am Geräusch des Windes, der über die Dachziegel strich.
    Alle diese Gefahren konnte ich vorhersehen und umgehen.
    Aber Salomo umbringen und ihm den Ring vom Finger streifen? Nein – ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich das anstellen sollte.
    Zwei Möglichkeiten standen mir offen, beide ähnlich unangenehm. Widersetzte ich mich der Kleinen, blühte mir das Schreckensfeuer. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie es ernst meinte. Trotz meiner sorgfältig formulierten und ruhig vorgetragenen Einwände – die jeden kriegslüsternen Tyrannen bewogen hätten, seine Krummschwerter wegzupacken und sich fortan dem Häkeln von Deckchen zu widmen – behielten ihre Augen den starren, glasigen Blick, den Menschen bekommen, wenn sie sich als selbst ernannte Verfechter einer angeblich guten Sache sehen und ihre eigene Persönlichkeit (soweit vorhanden) völlig in den Hintergrund getreten ist. Ich als ein Wesen, dessen Persönlichkeit, ungeachtet der äußeren Erscheinung, sympathischerweise immer gleich bleibt, finde dieses Phänomen, dass sich jemand plötzlich um hundertachtzig Grad wendet, einigermaßen beunruhigend. Man weiß nicht mehr, woran man mit dem Betreffenden ist. Letztlich lief es auf Folgendes hinaus: Die Kleine war fest entschlossen, sich selbst – schlimmer noch: mich – zu opfern, und nichts konnte sie davon abbringen.
    Bis sie sich endlich eine Blöße gab, musste ich ihre Befehle wohl oder übel befolgen.
    Das wiederum bedeutete, wie ich ihr bereits klargemacht hatte und wie es das Schicksal von Azul, Philokretes und anderen bewies, dass wir beide eines grässlichen Todes sterben würden. Azul und Philokretes waren weitaus robustere Geister gewesen als ich, trotzdem hatten beide ein unrühmliches Ende genommen, wogegen Salomo arrogant wie eh und je durch die Gegend schlenderte. Ich rechnete mir keine großen Chancen aus, es besser zu machen als meine Kollegen.
    Andererseits… Hey, ich war schließlich Bartimäus von Uruk und hatte mehr List und Tücke 79 im kleinen Finger als diese drei grützehirnigen Afriten zusammen. So schnell gab ich mich nicht geschlagen.
    Und wenn man schon eines grässlichen Todes sterben muss, sollte man wenigstens einen stilvollen Abgang hinlegen.
     
    Um diese nächtliche Stunde war in den Fluren des Gästetrakts nicht mehr viel los, abgesehen von dem einen oder anderen Wachkobold, der routinemäßig den einen oder anderen Rundgang machte. Ich hätte die Kobolde einfach fressen können, wollte mich aber erst einmal bedeckt halten. Wenn ich ihre ledrigen Flügel schlagen hörte, wob ich rasch einen Tarnzauber um mich und die Kleine. Dann standen wir reglos hinter unserem Netz, während die Kobolde vorbeisegelten, ihre Signaltuten in der Hand baumeln ließen und sich wegen irgendwelcher Zauberer zankten. Wenn wieder alles ruhig war, nahm ich die Tarnung zurück und wir schlichen auf Zehenspitzen weiter.
    Durch gewundene Gänge, vorbei an zahllosen Türen… Das Beste an diesem Anfangsstadium unserer Unternehmung war, dass die Kleine still war, und damit meine ich, dass sie den Mund hielt. Wie die meisten ausgebildeten Attentäter ging sie natürlich auf leisen Sohlen und vermied jede überflüssige Bewegung, obwohl sie doch vorher ungefähr so diskret wie ein Brüllaffe gewesen war. Offenbar machte Denken sie lebhaft und redselig, jetzt, da wir zur Tat schritten, war sie viel ausgeglichener und folgte mir in geradezu dankbarem Schweigen. Auch ich war dankbar, dass ich mir in Ruhe überlegen konnte, was ich tun wollte.
    Als Erstes musste ich dafür sorgen, dass wir unbemerkt an allen Fallen und Wächtern vorbei in Salomos Gemächer gelangten, eine nahezu unlösbare Aufgabe, wie so mancher Außenstehende geurteilt hätte. Ich gebe zu, dass auch ich dieses Vorhaben für durchaus anspruchsvoll hielt. Ich brauchte drei Stockwerke, zwei Treppenfluchten und einen ganzen Wandelgang, bis ich einen Plan ausgetüftelt hatte. 80
    Ich zog die Kleine in den Schutz eines Türbogens und sagte kurz und bündig: »Ab hier wird’s brenzlig. Wir betreten jetzt das Hauptgebäude des Palastes. Die Geister, die hier Wache schieben, sind ein ganz anderes Kaliber als die paar popeligen Kobolde, an denen wir uns eben vorbeigemogelt haben. Diese Geister sind größer und hungriger, der Zutritt zum

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