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Bartleby, der Schreiber

Bartleby, der Schreiber

Titel: Bartleby, der Schreiber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Melville
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Einen anderen hatte der Zweckmäßigkeit wegen Turkey. Den dritten trug ich manchmal selbst in der Tasche. Wer den vierten hatte, wußte ich nicht.
    Eines Sonntagmorgens geschah es nun, daß ich zur Trinity Church ging, um einen berühmten Prediger zu hören, und da ich mich ziemlich früh an Ort und Stelle einfand, dachte ich, daß ich noch für eine Weile in meineKanzlei gehen könnte. Glücklicherweise hatte ich meinen Schlüssel bei mir; doch als ich ihn ins Schloß steckte, stieß er auf einen Widerstand, weil von innen etwas hineingesteckt worden war. Völlig überrascht, entfuhr mir ein Ausruf, als gleich darauf zu meiner Bestürzung von drinnen ein Schlüssel herumgedreht wurde; und durch den Türspalt mir sein mageres Gesicht entgegenstrekkend, erschien der Geist Bartlebys, in Hemdsärmeln und sonst in einem merkwürdig zerlumpten Morgenrock, sagte ruhig, es tue ihm leid, doch er sei gerade sehr beschäftigt und – möchte mich jetzt nicht einlassen. In ein paar kurzen Worten fügte er noch hinzu, daß es vielleicht besser sei, wenn ich zwei- oder dreimal um den Häuserblock ginge, und daß er bis dahin wahrscheinlich mit seinen Angelegenheiten fertig sein werde.
    Das gänzlich unerwartete Erscheinen Bartlebys, der an einem Sonntagmorgen in meiner Anwaltskanzlei hauste, und seine leichenhaft vornehme Nonchalance, bei der er dennoch bestimmt und beherrscht war, übten eine so eigentümliche Wirkung auf mich aus, daß ich mich alsogleich von meiner eigenen Türe wegschlich und tat, was er wünschte. Doch nicht ohne etliche schmerzhafte Stiche ohnmächtiger Auflehnung gegen die sanftmütige Unverschämtheit dieses rätselhaften Schreibers. Tatsächlich war es vor allem seine merkwürdige Sanftmut, die mich nicht nur entwaffnete, sondern mich auch gewissermaßen meiner Männlichkeit beraubte. Denn ich finde, daß jemand vorübergehend sozusagen seiner Männlichkeit beraubt ist, wenn er es sichruhig gefallen läßt, daß sein bezahlter Angestellter ihm Vorschriften macht und ihn von seiner eigenen Türe wegschickt. Überdies war ich voller Unruhe im Hinblick darauf, was Bartleby an einem Sonntagmorgen in Hemdsärmeln und in einem sonst abgerißnen Zustand in meiner Kanzlei tun mochte. Ging etwas Ungehöriges vor sich? Nein, das war undenkbar. Nicht einen Augenblick vermochte man sich vorzustellen, daß Bartleby ein unmoralischer Mensch sei. Aber was konnte er dort tun? – kopieren? Abermals nein; was für Verschrobenheiten er auch immer an sich haben mochte, Bartleby war ein Mensch von höchst schicklichem Benehmen. Er wäre der letzte, der sich in einem an Nacktheit grenzenden Zustand an sein Pult setzen würde. Außerdem war es Sonntag; und es war etwas an Bartleby, was die Vermutung ausschloß, er würde durch eine weltliche Beschäftigung die Rechte dieses Tages verletzen.
    Trotzdem war ich nicht beruhigt; und erfüllt von unruhiger Neugier, kehrte ich schließlich an meine Tür zurück. Ich steckte den Schlüssel ins Schloß, ohne auf ein Hindernis zu stoßen, öffnete die Tür und trat ein. Bartleby war nicht zu sehen. Ich blickte mich besorgt um, spähte hinter seinen Wandschirm, doch ganz offenbar war er fortgegangen. Bei genauerer Untersuchung der Örtlichkeit kam mir der Verdacht, daß Bartleby seit einer unbestimmten Zeit in meiner Kanzlei gegessen, sich angekleidet und geschlafen haben mußte, und noch dazu ohne Teller, Spiegel und Bett. Der gepolsterte Sitz eines wackeligen alten Sofas in einer Ecke zeigte denschwachen Abdruck einer mageren, liegenden Gestalt. Unter seinem Pult fand ich eine zusammengerollte Wolldecke, unter dem leeren Feuerrost eine Dose Schuhwichse mit Bürste, auf einem Stuhl eine Blechschüssel mit Seife und ein zerlumptes Handtuch, in einer Zeitung ein paar Krümel von Ingwernüssen und ein Stückchen Käse. Ja, dachte ich, es ist deutlich genug, daß Bartleby hier seine Wohnung aufgeschlagen hat und ganz allein einen Junggesellenhaushalt führt. Gleich darauf durchfuhr mich der Gedanke: Welch jämmerliche menschliche Verlassenheit offenbart sich hier! Seine Armut ist groß; doch seine Einsamkeit – wie entsetzlich! Man bedenke es! Sonntags ist die Wall-Street so verlassen wie Petra; und jeden Abend eines jeden Tages ist sie menschenleer. Auch dieses Gebäude, das an den Wochentagen von Geschäftigkeit und Leben summt, hallt bei Anbruch der Nacht wider von völliger Leere und ist den ganzen Sonntag hindurch ausgestorben. Und hier schlägt Bartleby seine Wohnung auf; einziger

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