Bassus (German Edition)
in Morvrans Kräuterkammer deponiert, auf einem Regalbrett mit Tongefäßen, die der keltische Arzt nur selten benötigte. Es konnte Wochen dauern, bis er den Brief entdeckte und an Trajanus weiterreichte.
Obwohl immer noch Schnee lag und ein eiskalter Wind wehte, war Tony guter Stimmung. Den beiden Tieren schien es ähnlich zu gehen. Teres scharrte unruhig mit den Hufen. Und Harpalos wartete gespannt, dass es endlich losging.
Tony verabschiedete sich von Maius und Lauba, die an der Haustür stehen blieben und ihm hinterherwinkten. Nachdem sie aus seinem Gesichtsfeld verschwunden waren, fühlte er für einen Moment wieder die vertraute Verlassenheit. Entschlossen wischte er sie zur Seite und konzentrierte sich auf seine Umgebung.
Bald erreichte er die Heeresstraße. Erst vor sieben Monaten war er auf ihr nachts nach Köln gelaufen. Es kam ihm jetzt wie Jahre vor. Und weil es hell war, bemerkte er diesmal auch die Meilensteine am Straßenrand, die die Entfernung nach Rom anzeigten.
Der Schnee wurde weißer. Das Sonnenlicht blendete richtig. Gedanklich fasste Tony zusammen: In den Satteltaschen hatte er Kleidungsstücke und leichte Waffen verstaut und auch warme Unterwäsche, Kniestrümpfe und einen Wollumhang für Bassus. Außerdem verschiedene Öle, Salben und Wundbinden. Und für Teres Hufteer und Lederschuhe. In der Umhängetasche, die quer über seiner Schulter hing, steckte seine inzwischen ziemlich lädierte Plastikflasche mit Wasser, einer von Bassus’ Dolchen, das Taschenmesser, der Laserpointer und natürlich sein Urlaubsschein. In der Hand hielt er einen von Bassus’ Ersatzspeeren.
Wahrscheinlich wegen dieses Speeres hatte ihn vorhin eine Patrouille aus einer anderen Ala nach seinen Papieren gefragt.
Beim Anblick des Siegels der Ala Noricorum hatten die Reiter freundlich salutiert und ihm „Gute Reise, Medicus“ gewünscht.
Tony seufzte. Damit würde es bald vorbei sein, und für einen Moment graute ihm vor der Welt auf der anderen Seite des Rheins. Dort würde es keine gepflasterten Straßen und römischen Soldaten geben, die in ihm, dem angehenden Militärarzt, einen Kameraden sahen.
Er brachte Teres zum Stehen. Harpalos war abgebogen, und das Pferd wollte ihm folgen. War das schon der Weg zu Severus? Allein hätte er ihn nie im Leben wiedergefunden. Er schnalzte mit der Zunge, und Teres trabte weiter.
Der Feldweg zog sich länger hin, als Tony es in Erinnerung hatte. Endlich kamen die Umrisse des Guts in Sicht. Und prompt wurde er nervös. Harpalos schien es ähnlich zu gehen, denn er lief jetzt lieber hinter Teres. Fragte auch er sich, wie er wohl aufgenommen werden würde, nachdem er, genau wie Tony, vor einer Ewigkeit davongelaufen war? Nur Teres trabte ruhig weiter. Er hatte sich ja auch schließlich nie etwas zu Schulden kommen lassen.
Tony grübelte: Wie würde Severus sich verhalten? Und Flavia?
Gleich würden sie da sein.
Am Tor saß ein junger germanischer Wächter. Er war bis an die Zähne bewaffnet und rief etwas in den Hof hinein. Dann öffnete er einen Flügel des großen Portals. Ein fremdes, schlankes Mädchen lief heraus. Harpalos sprang an ihr hoch und bellte. Das Mädchen streichelte ihn und versuchte gleichzeitig, ihn abzuwehren. In Harpalos‘ Gebell stimmte nun auch Ferox ein. Die beiden Hunde umkreisten einander und rannten schließlich zusammen weg. Das Mädchen wandte sich ihm zu.
„Tony!“, rief es.
Er reagierte nicht. Schließlich kannte er das Mädchen nicht.
„Kennst du mich denn nicht mehr?“
Er sprang vom Pferd. Teres am Zügel hinter sich herziehend, näherte er sich dem Mädchen. Eine Hitzewelle lief über sein Gesicht. Das Mädchen war wunderschön.
„Flavia?“
Sie lachte und fiel ihm um den Hals. Diesmal wurde ihm am ganzen Körper heiß. Dann trat sie einige Schritte zurück und betrachtete ihn.
„Du hast dich auch sehr verändert.“
„Ja, nun …“ Er hätte ihr gerne ein Kompliment gemacht, aber ihm fiel nichts Passendes ein.
Zum Glück kam in diesem Moment ein Sklave und nahm ihm Teres ab. Flavia griff nach seiner Hand und zog ihn zum Haus.
Vor der Haustür hielt er sie jedoch zurück.
„Hasst Flavius Severus mich noch sehr?“, fragte er.
„Das kannst du gleich selbst überprüfen“, antwortete sie lächelnd und öffnete die Tür.
Doch die erste Person, die ihm im Haus entgegentrat, war nicht Severus, sondern Marcia. Sie nahm ihn einfach in die Arme und drückte ihn an sich.
„Willkommen, Tony. Ich freue mich sehr,
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