Bassus (German Edition)
Praetorium beordert. Wurde der Urlaub doch nicht genehmigt? Oder hatte man Bassus’ Leiche gefunden? Er rannte.
Die beiden Wachsoldaten stellten wortlos ihre Lanzen senkrecht. Ein Gehilfe des Praefectus führte ihn in einen kleinen, prunkvollen Raum. Während Tony wartete, schlug sein Herz laut und dumpf. Er zuckte zusammen, als plötzlich Imperator Trajanus vor ihm stand. Er reichte ihm eine Papyrusrolle.
„Dein Urlaubsschein, Tony. Du kannst länger wegbleiben. Es wird dir gut tun.“
Tony fühlte sich angesichts dieser Fürsorge wie ein Verräter.
„Danke“, murmelte er.
Wie gerne hätte er für das, was er vorhatte, Trajanus‘ Segen gehabt. Aber das ging natürlich nicht. Trotzdem. Irgendetwas wollte er noch zu ihm sagen.
„Ihr kennt meine Geschichte, Imperator?“
Trajanus nickte. Seine dunklen Augen blickten wach und interessiert.
Auf einmal wurde Tony klar, wie privilegiert er war, einem römischen Kaiser so nah zu sein und sein Wohlwollen zu besitzen. Und er hatte vor, das alles mit Füßen zu treten!
„Ich vermisse Bassus unendlich“, murmelte er.
„Es hätte ihn sehr gefreut, das zu wissen“, erwiderte Trajanus.
Zurück im Valetudinarium fühlte Tony sich gegenüber allen in der Ala unerträglich schuldig. Aber nur Morvran schien seinen Seelenzustand zu bemerken. Immer wieder sah er ihn mit seinen Gletscheraugen nachdenklich an.
Am Abend beschloss Tony, Trajanus einen Brief zu hinterlassen. Das war er ihm und der Ala einfach schuldig.
Zum Glück besaß Bassus einen größeren Vorrat an Papyrusblättern, denn die beiden ersten Fassungen musste Tony wieder zerreißen. Beim dritten Anlauf erzählte er einfach seine Geschichte. Zum ersten Mal in seinem Leben schrieb er sich alles von der Seele. Seine Eltern und seine Beziehung zu ihnen. Sein Leben für Melanie. Warum er Kampfsport betrieb. Wie er mit gefälschten Papieren in den Club gekommen war. Wie Melanie starb. Die Psychiatrie. Gwanwyn. Das Medaillon. Und wie er in der Römerzeit wieder zu sich gekommen war. Er ging auf seine Beziehung zu Bassus ein und beschrieb den Traum, der ihn jede Nacht heimsuchte. Und zum Schluss erklärte er, was er vorhatte.
Dann atmete er auf.
Nur eines musste er noch herausfinden: Wie sprach man einen römischen Kaiser korrekt an? Wenn er ihm schon so viel zumutete, sollte wenigstens das stimmen. Er hatte auf der ersten Seite oben extra reichlich Platz gelassen.
Den Brief wollte er Morvran geben mit der Bitte, ihn erst nach einigen Tagen an Trajanus weiterzureichen. Dann wäre er schon in Germania Libera, und niemand konnte ihn mehr von seinem Vorhaben abbringen.
Er ging über den Flur.
Maius sah ihn verwundert an. „Das weißt du nicht? Du dienst doch in seiner Armee und bist römischer Bürger.“
„Bitte, Maius, sage es mir einfach.“
„Also gut. Sein kompletter Name lautet Imperator Caesar Divi Nervae Filius Nerva Trajanus Augustus. Pater Patriae.“
Fassungslos stammelte Tony, “Das muss ich mir aufschreiben.”
Er rannte noch einmal hinüber und holte ein Wachstäfelchen. „Sohn des göttlichen Nerva?“
„Weißt du etwa nicht einmal, dass Imperator Nerva ihn kurz vor seinem Tod adoptiert hatte?“
„Äh ….“
„Damit stellte er sicher, dass Trajanus sein Nachfolger wurde.“
„Und was bedeutet Vater des Vaterlandes?“
„Das ist ein Titel, der ihm verliehen wurde. Als neuer Imperator griff er sofort hart durch, um Ruhe und Ordnung herzustellen.“
„Wie hat er das denn gemacht?“
„Er hat die Anführer der meuternden Praetorianergarde nach Moguntiacum eingeladen, angeblich, um ihnen neue Befehle zu erteilen. Aber kaum waren sie aus Rom eingetroffen, ließ er sie hinrichten.“
Um Gottes willen! Er hatte Trajanus völlig falsch eingeschätzt!
„Deshalb ist er so beliebt“, fuhr Maius ungerührt fort. „Unter Caesar Trajanus wird es keine Bürgerkriege geben. Die Menschen müssen nicht mehr dauernd um ihr Leben fürchten.“
„Aber … er ist immer so freundlich.“
„Oh ja, das ist er! Und das kommt von Herzen. Trajanus ist ein wunderbarer Mensch.“
Nach allem, was er gerade von Maius erfahren hatte, war es eigentlich sinnlos, Trajanus diesen Brief zukommen zu lassen. Niemals würde er bei ihm auf Verständnis stoßen.
X
Im Schein der Wintersonne zog Tony am frühen Morgen los. Den Brief an Trajanus hatte er
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