Bassus (German Edition)
Treiben. Seit seinem Ausflug wurde er auf dem Gut wie ein Gefangener gehalten. Severus hatte anscheinend alle aufgefordert, sofort Alarm zu schlagen, wenn er sich auch nur einen Meter vom Eingangsportal entfernen sollte.
So konnte es nicht weitergehen.
Tonys Blick fiel auf ein Stück Metall, das in der Sonne glitzerte. Plötzlich schlug er sich mit der Hand an die Stirn. Die Germanen, die er bei seiner Rückkehr vom Keltendorf gesehen hatte! Ob sie das Gut immer noch beobachteten? Eigentlich müssten sie ja erkannt haben, dass ein Überfall sinnlos wäre. Um das gesamte Gelände herum zog sich ein fast drei Meter hoher Zaun mit spitzen Pfählen. An dessen Außenseite war ein tiefer Graben, in dem dichte Brombeersträucher wuchsen. Stacheldraht hätte nicht wirkungsvoller sein können. Die Weidetiere wurden nachts immer in die Ställe geholt. Und Tag und Nacht patrouillierten Wächter auf dem Gelände.
Aber was, wenn sie trotz alledem nicht aufgegeben hatten? Dann boten sie ihm die ideale Gelegenheit, sich in Lebensgefahr zu begeben und – hoffentlich - wieder in seine eigene Zeit zurückzukehren. Das war seine Chance! Er musste weglaufen und sich mit lautem Gebrüll auf diese Germanen stürzen.
Aber etwas hielt ihn zurück.
Was, wenn die Männer Verstärkung geholt hatten? Oder wenn sie in der Nacht angriffen? Mit Feuerpfeilen schossen? Dann konnte es für das Gut kritisch werden. Flavias Leben wäre in Gefahr. Und das des kleinen Aurelius. Auch das ihrer Mutter Marcia, die immer so nett war zu ihm, und das von Herklides und Lentulus.
Er musste unbedingt herausfinden, ob diese Germanen noch da waren!
Ein Blick durch das Nachtfernglas würde eigentlich genügen. Aber leider verwahrte Severus es in seinem Arbeitszimmer.
Es half nichts.
Tony ging zu ihm. Severus saß zusammen mit seinem Verwalter, einem Sklaven, am Schreibtisch und sah ihn überrascht an. Bevor er wieder irgendetwas Erzieherisches sagen konnte, sagte Tony schnell:
„Auf dem Rückweg vom Keltendorf habe ich einen Trupp Germanen mit Pferden gesehen. Sie haben das Gut beobachtet. Mit dem Fernglas könnte man sehen, ob sie sich immer noch da draußen herumtreiben.“
Severus stand sofort auf und holte das Gerät aus der Truhe. Ohne ein Wort zu verlieren, lief er los.
Tony rannte hinter ihm her. Schließlich griff Severus sich eine Leiter und lehnte sie an eine Wand, in der oben eine Luke eingelassen war. Severus kletterte hinauf, Tony hinterher. Die Wand gehörte zu einer Art Speicher unter dem Ziegeldach.
Geduckt liefen sie weiter und erreichten eine weitere Luke. Wieder folgte Tony Severus und stand plötzlich im Freien. Auf dem Dach war eine kleine Aussichtsplattform, die ihm von unten noch nie aufgefallen war. Die Sicht war atemberaubend.
„Wo genau standen sie?“, fragte Severus.
Tony deutete mit dem Finger in die ungefähre Richtung.
Severus fuhr mit dem Fernglas langsam hin und her. Dann hielt er es ganz still.
Tony platzte vor Neugierde. „Sind sie noch da?“
Severus reichte ihm das Glas. „Sieh selbst.“
Er brauchte nicht lange, bis er sie gefunden hatte. „Scheiße“, murmelte er.
„Du sagst es.“
Die Gruppe war inzwischen zu etwa 40 bis an die Zähne bewaffneten Männern angewachsen.
„Wir brauchen Hilfe“, sagte Tony. „Die Kelten. Sie kommen sicher. Ich gehe noch einmal in das Dorf.“
„Das tust du nicht. Die Kelten müssen ihr eigenes Dorf schützen. Wir brauchen Hilfe von der Armee. Außerdem“, Severus sah ihn scharf an, „ist es meine Aufgabe, mich um unsere Sicherheit zu kümmern. Und als ehemaliger Soldat lege ich keinen Wert auf deine Ratschläge. Haben wir uns verstanden?“
Dann eben nicht! Wütend drehte Tony sich um und kletterte wieder hinunter. Er würde sich verstecken und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit den Germanen in die Arme laufen. Den Menschen hier schuldete er nichts mehr. Er hatte ihnen die Gefahr gezeigt. Der Rest war ihr Problem.
Unter dem Dach des Pferdestalls hatte er das ideale Versteck gefunden, hinter dem Heu. Hier bekam er alles mit, was sich um das Gut herum tat, und konnte den idealen Moment abpassen. Gerade holten Sklaven zwei Pferde aus dem Stall. Tony hörte, dass Bassus’ Decurio Fabius Pudens informiert werden sollte. Bedeutete dies, dass die gesamte Reitertruppe kommen würde?
Wieder betrat jemand den Stall. Ein hohes Stimmchen rief leise: „Tony, bist du da oben?“
Flavia. Sollte er antworten? Aber sie kletterte schon die Leiter herauf.
„Ja,
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