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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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breiten, kräftigen Hände. Zu meiner Überraschung sind die Fingernägel sauber und gestutzt. Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass sie ungepflegt sind, da ja jeder hier davon ausgeht, er hätte den Verstand verloren. Ich bemerke die Schwielen, die er schon immer hatte. Vom Gewichtheben im Fitness-Studio, vom Herumschrauben an seinen Autos oder vom Renovieren. Offenbar ist er mit der Pistole in der linken Hand gestorben. Zumindest soll es danach aussehen, denn die Finger sind stark gekrümmt, und der rutschsichere genoppte Griff der Glock hat einen Abdruck in der Handfläche hinterlassen. Allerdings fehlt der feine Blutschleier, der sich vermutlich beim Abdrücken auf die Haut gesenkt hätte. Blutspritzer sind Indizien, die man nicht manipulieren oder fälschen kann.
    »Wir werden seine Hände auf Schmauchspuren testen«, verkünde ich. Mir fällt auf, dass Fielding keinen Ehering trägt. Bei unserer letzten Begegnung hatte er ihn am Finger, doch
das war im August, als er, soweit mir bekannt ist, noch mit seiner Familie zusammenlebte.
    »An der Mündung der Pistole klebte Blut«, teilt Briggs mir mit. »Und zwar an der Innenseite, weil Blut eingesaugt worden ist.«
    Dieses Phänomen wird bei einem auf die Haut aufgesetzten Schuss von den explosiven Gasen verursacht.
    »Und die ausgeworfene Geschosshülse?«, erkundige ich mich.
    »Da drüben.« Er zeigt auf eine Stelle, etwa einen Meter fünfzig von Fieldings rechtem Knie entfernt.
    »Und wo lag die Pistole?« Ich schiebe die Hände unter Fieldings Kopf und ertaste den harten, schartigen Metallklumpen oberhalb des rechten Ohrs unter der Kopfhaut. Hier ist die Kugel aus dem Schädel ausgetreten und unter der Haut stecken geblieben.
    »Und er hat die Waffe trotzdem in der linken Hand gehalten. Sicher sind Ihnen die gekrümmten Finger und der Abdruck in der Handfläche aufgefallen. Wir hatten Mühe, ihm die Pistole abzunehmen.«
    »Aha. Also hat er sich mit der linken Hand erschossen, obwohl er Rechtshänder ist. Nicht unmöglich, allerdings ungewöhnlich. Außerdem lag er entweder bereits auf dem Boden oder hat beim Sturz die Waffe nicht losgelassen. Eine Leichenzuckung, so dass er sie noch fester umklammert hat. Und er ist einfach so auf dem Rücken gelandet. Nun, das ist ziemlich schwer vorstellbar. Sie kennen ja meine Einstellung zu Leichenzuckungen, John.«
    »Sie können vorkommen.«
    »Ungefähr so oft wie ein Sechser im Lotto«, entgegne ich. »Das kommt auch manchmal vor. Nur nie bei mir.«
    Als ich vorsichtig Fieldings Kopf befühle, spüre ich, wie sich unter meinen Fingern Knochensplitter bewegen. Der
Wundkanal verläuft vermutlich aufwärts und in einem leicht vorwärtsgewandten Winkel, die Kugel steckt schätzungsweise neun Zentimeter oberhalb des rechten Unterkiefers.
    »Er soll sich so erschossen haben?« Wieder forme ich meine linke Hand zur Pistole und verrenke meinen in einen violetten Nitrilhandschuh gehüllten Zeigefinger in einem unbequemen Winkel, als wollte ich mir ins rechte Ohr schießen. »Selbst wenn er die Pistole in der linken Hand hatte, obwohl er kein Linkshänder war, ist es doch ziemlich umständlich und anstrengend, den Ellbogen nach unten und hinter den Körper zu drücken, finden Sie nicht? Außerdem hätte seine Hand dann einen leichten Blutschleier aufweisen müssen. Natürlich sind diese Dinge nicht in Stein gemeißelt«, füge ich in Fieldings weiß gestrichenem Steinkeller hinzu.
    »Das Eigenartige daran, sich ins Ohr zu schießen«, fahre ich fort, »ist, dass die meisten Menschen davor zurückscheuen, weil sie sich vor dem Knall fürchten. Natürlich ist das unlogisch, weil man ja sowieso gleich stirbt, aber es liegt nun mal in der menschlichen Natur. Fast niemand tut es.«
    »Wir müssen miteinander reden, Kay«, sagt Briggs.
    »Am meisten stört mich der Zeitpunkt, wann der Gefrierschrank ausgeräumt wurde«, spreche ich weiter. »Hinzu kommen der eingeschaltete Heizstrahler und das, was oben verbrannt wurde, wahrscheinlich Erica Donahues Briefpapier. Wenn Jack all das vor seinem Tod getan hat, warum befinden sich dann unter seiner Leiche auf dem Boden weder Sperma noch Glassplitter?« Ich schiebe Fieldings massigen Körper beiseite. Er ist schwer und völlig starr, als ich ihn ein Stück bewege, um mir den weißen, sauberen Boden unter ihm anzuschauen. »Falls er hier heruntergekommen ist, um zuerst alle Reagenzgläser zu zerbrechen und sich dann ins Ohr zu schießen, müssten unter seiner Leiche Scherben und Sperma

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