Bastard
Plastikkorb mit Olivenöl-Pflegeshampoo, einem Peeling aus fossilen Meeresalgen, einem Damenrasierer, einer Dose Rasiergel für empfindliche Haut, Flüssigseife, einem Waschlappen, einer Mundspülung, Zahnbürste, Nagelbürste und einem parfümierten Neutrogena-Öl, gehe ich über die hellbraunen Fliesen, die sich unter meinen nackten Füßen stets kühl anfühlen. In einer offenen Kabine baue ich meine Sachen in Reih und Glied auf dem gekachelten Sims auf und stelle das Wasser so heiß ein, wie ich es gerade noch aushalte. Ein harter Strahl prasselt auf mich herunter, während ich meinen Körper bewege, damit er mich auch überall erreicht. Erst hebe ich den Kopf, dann blicke ich zu Boden auf meine blassen Füße. In der Hoffnung, dadurch meine angespannten Muskeln ein wenig zu lockern, lasse ich das Wasser meinen Nacken und meinen Hinterkopf bearbeiten. Dabei überlege ich, was ich heute Abend anziehen soll.
General Briggs – oder John, wie ich ihn nenne, wenn wir allein sind – möchte, dass ich Fliegerkleidung oder besser noch die blaue Uniform der Air Force trage. Ich bin dagegen und plädiere für Zivil, denn so kennen mich die Zuschauer von den meisten Fernsehinterviews her. Am besten ein schlichtes, dunkles Kostüm, eine elfenbeinfarbene Bluse mit Kragen und die dezente Breguet-Uhr mit Lederarmband, ein Geschenk meiner Nichte Lucy. Nicht die Blancpain mit dem überdimensionalen schwarzen Zifferblatt und der Keramikfassung, ebenfalls von Lucy, die ein Faible für technisch aufwendige und teure Uhren hat. Keine Hose, sondern Rock und Pumps, damit ich nicht bedrohlich und zugänglich wirke, ein Trick, den ich vor langer Zeit im Gerichtssaal gelernt habe. Aus mir unbekannten Gründen wollen die Geschworenen meine Beine sehen, während ich tödliche Verletzungen und die qualvollen letzten Lebensminuten eines Opfers in allen drastischen anatomischen Einzelheiten schildere. Briggs wird mit meiner Garderobe unzufrieden sein. Doch wie ich ihm gestern Abend – im Fernsehen lief Baseball – bei ein paar Drinks erklärt habe, sollte ein Mann einer Frau nicht sagen, was sie anzuziehen hat. Außer er hieße Ralph Lauren.
Ein Luftzug durchdringt den Dampf in meiner Duschkabine, und ich glaube jemanden gehört zu haben. Sofort fühle ich mich gestört. Es könnte jede x-Beliebige sein. Eine Militärangehörige – Ärztin oder nicht –, die berechtigt ist, sich in dieser streng zugangsbeschränkten Einrichtung aufzuhalten, auf die Toilette muss, ein Desinfektionsmittel braucht oder sich umziehen möchte. Ich denke an die Kolleginnen, mit denen ich gerade im großen Autopsiesaal zusammen war, und habe den Verdacht, dass es wieder einmal Captain Avallone ist. Sie hat sich den Großteil des Vormittags während der Computertomographie wie eine Klette an mich geheftet, als ob ich nach all den Lehrgängen nicht wüsste, wie man
diese Untersuchung durchführt. Den restlichen Tag ist sie um meinen Arbeitsplatz geschlichen. Bestimmt ist sie gerade hereingekommen. Ich bin sogar ziemlich sicher, und ich spüre, wie Abneigung in mir aufsteigt. Verschwinde .
»Dr. Scarpetta?«, ruft ihre vertraute Stimme, die ohne Ausdruck und Leidenschaft ist und mich überallhin zu verfolgen scheint. »Ein Anruf für Sie.«
»Ich habe gerade erst angefangen zu duschen«, überschreie ich das laute Wasserrauschen.
Auf diese Weise will ich ihr mitteilen, dass sie mich in Ruhe lassen soll. Bitte, ein kleines bisschen Privatsphäre. Ich möchte jetzt weder Captain Avallone noch sonst jemanden sehen. Und das liegt nicht daran, dass ich nackt bin.
»Tut mir leid, Ma’am. Aber Pete Marino will Sie unbedingt sprechen.« Ihre gefühllose Stimme kommt näher.
»Dann muss er eben warten«, erwidere ich.
»Er sagt, es sei wichtig.«
»Können Sie ihn nicht fragen, was er will?«
»Er sagt nur, dass es wichtig ist, Ma’am.«
Ich verspreche, ihn so bald wie möglich zurückzurufen. Vermutlich klinge ich unhöflich, aber ich kann nicht immer charmant sein, auch wenn ich die besten Absichten habe. Pete Marino ist der Ermittler, mit dem ich mein halbes Leben lang zusammengearbeitet habe. Hoffentlich ist zu Hause nichts Schlimmes geschehen. Nein, wenn es ein Notfall wäre, würde er dafür sorgen, dass ich es sofort erführe. Wenn meinem Mann Benton oder Lucy etwas zugestoßen wäre oder es im Cambridge Forensic Center, zu dessen Leiterin ich ernannt worden bin, ein ernstes Problem gegeben haben sollte, hätte Marino mir nicht einfach
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