Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
sein. Aber sie sind nur rings um ihn herum. Er hat sogar eine
Scherbe im Haar.« Ich pflücke sie heraus und betrachte sie. »Jemand hat die Gläser zerbrochen, als er bereits tot war und auf dem Boden lag.«
    »Der Splitter hätte auch in sein Haar geraten können, als er die Reagenzgläser zerbrochen und in wilder Wut alles verwüstet hat«, wendet Briggs ein. Für seine Verhältnisse klingt er sehr freundlich und geduldig. Er scheint beinahe Mitleid mit mir zu haben. Wieder meine Unsicherheit.
    »Steht die Antwort für Sie bereits fest, John? Für Sie und für alle anderen?« Ich betrachte sein faszinierendes Gesicht.
    »Sie wissen, dass es nicht so ist«, erwidert er. »Wir haben eine Menge zu besprechen. Ich würde es aber lieber nicht hier in Gegenwart der anderen tun. Wenn Sie fertig sind, kommen Sie nach nebenan.«
    Gegen halb drei ist auf Salem Neck wieder der Strom eingeschaltet worden. Ich war gerade mit Jack Fielding fertig und hatte neben ihm auf dem kalten Steinfußboden gekniet, bis meine Füße prickelten und mir trotz der Knieschoner die Knie wehtaten.
    Die nackten Glühbirnen in seiner altmodischen, abgewohnten Küche brennen. Im Haus ist es zwar recht kühl, doch die Luft aus den Schächten im Boden, die ich beim Herumgehen spüre, verheißt Wärme. Inzwischen trage ich wieder Kampfstiefel, Uniform und Jacke. Die Schutzkleidung habe ich bis auf ein Paar Einweghandschuhe abgelegt. Im Spülbecken aus weißem Porzellan türmt sich das Geschirr. Das Wasser ist von Spülmittel getrübt. Eine gelbliche geronnene Fettschicht schwimmt darauf. Der durchsichtige gelbe Vorhang vor dem Fenster über der Spüle ist schmutzig und zerschlissen.
    Wohin das Auge blickt, entdecke ich Essensreste, Müll und Hinweise darauf, dass hier kräftig dem Alkohol zugesprochen worden ist. Ich fühle mich an die unzähligen heruntergekommenen
Tatorte erinnert, an denen ich schon gearbeitet habe. An Verdorbenes und Verfaultes, an muffigen Modergeruch und daran, wie oft das Leben, das dem Tod vorausging, das eigentliche Verbrechen war. Fieldings letzte Monate auf Erden waren eine größere Quälerei, als er es verdient hat, und es will mir nicht in den Kopf, warum er es so weit hat kommen lassen. So hat er sich sein Schicksal sicher nicht vorgestellt. Dafür war er nicht geboren. Ich muss an diesen Lieblingssatz von ihm denken, den er mir immer wieder unter die Nase rieb. Er sei für dieses nicht geboren und für jenes nicht geboren , insbesondere dann, wenn ich etwas von ihm verlangte, das er langweilig oder unangenehm fand.
    An einem Holztisch mit zwei Holzstühlen neben einem Fenster mit Blick auf die vereiste Straße und das unruhige blaue Meer dahinter bleibe ich stehen. Auf dem Tisch stapeln sich alte Zeitungen und Zeitschriften, die ich mit der behandschuhten Hand hin und her schiebe . The Wall Street Journal, The Boston Globe, The Salem News , die letzte Ausgabe, wie ich feststelle, vom Samstag. Ich erinnere mich, dass ich auf dem Gehweg vor dem Haus einige mit Eis bedeckte Zeitungen bemerkt habe, so als hätte sie jemand dorthin geworfen, ohne dass sie vor dem großen Unwetter hereingeholt worden wären. Außerdem sind da sechs Ausgaben von Men’s Health . Der Adressaufkleber lautet noch auf Fieldings Adresse in Concord. Die Ausgaben von Januar und Februar wurden ihm hierher nachgesendet, ebenso wie viele andere Briefe in dem Stoß, den ich durchsehe. Ich erinnere mich, dass Fieldings Mietvertrag für das Haus in Concord vor einem knappen Jahr abgeschlossen wurde. Ausgehend von dem Durcheinander, den Möbeln, die ich als seine erkenne, und dem, was man mir über seine familiären Probleme erzählt hat, ist es nur stimmig, dass er ihn nicht verlängert hat. Stattdessen ist er in einen zugigen Altbau übergesiedelt, der wegen seines heruntergekommenen
Zustands nicht die Spur von Charme hat. Ich kann mir zwar seine Träume vorstellen, als er sich in das Haus verliebte. Aber etwas hat sich für ihn verändert.
    Was ist mit dir passiert? Ich betrachte den Dreck, den er hinterlassen hat. Wer warst du am Ende? Ich denke an seine toten Hände und erinnere mich daran, wie kalt, starr und schwer sie sich anfühlten, als ich sie hielt. Sie waren sauber, die Nägel gut gepflegt. Und dieses kleine Detail fällt aus dem Rahmen. Hast du dieses entsetzliche Tohuwabohu angerichtet? Oder war es jemand anders? Hat eine schlampige, geistig verwirrte Person in deinem Haus gelebt? Allerdings weiß ich auch, dass Berechenbarkeit das ist, was

Weitere Kostenlose Bücher