Bastard
die Tat vorstelle und mir Schmerz, Leid und vor allem Todesangst ausmale. Hoffentlich hat er die Qualen nicht lange erdulden müssen, bis eine Arterie, aller Wahrscheinlichkeit nach die Karotidarterie links am Hals, verletzt wurde. Das unverkennbare Muster an der Wand wurde von arteriellem Blut verursacht, das unter Hochdruck und im Gleichtakt mit dem Herzschlag aus dem Körper gespritzt ist. Ich erinnere mich an die Fotos, die tiefe Wunden am Hals zeigen.
Mit einer solchen Verletzung hat Wally Jamison nur noch wenige Minuten zu leben gehabt. Ich frage mich, wie lange die Misshandlungen noch angedauert haben, als es ihn schon nicht mehr quälen konnte. Es muss eine unglaubliche Wut im Spiel gewesen sein, und ich überlege, welche Verbindung wohl zwischen Wally Jamison und Jack Fielding bestanden haben mag. Sicher steckt mehr dahinter als die Tatsache, dass sie dasselbe Fitness-Studio besucht haben. Wally betrieb keinen Kampfsport, und soweit wir feststellen konnten, kannte er weder Johnny Donahue noch Eli Goldman oder Mark Bishop. Er hat auch nie bei Otwahl gearbeitet oder ein Praktikum dort gemacht und hatte auch nichts mit Robotern und anderen technischen Entwicklungen zu tun. Über Wally Jamison weiß ich nur, dass er aus Florida kam, am Boston College im Abschlussjahr war, Geschichte studierte, wegen seiner Erfolge im Football ein wenig Berühmtheit genoss, gern feierte und Erfolg bei den Frauen hatte. Mir fällt kein einziger Berührungspunkt zwischen ihm und Fielding ein, außer sie wären sich zufällig im Fitness-Studio begegnet. Vielleicht sind es ja auch die Drogen, der Hormoncocktail, den Benton erwähnt hat.
Die toxikologische Untersuchung auf illegale Drogen oder aus medizinischen Gründen eingenommene Medikamente ist bei Wally Jamison negativ ausgefallen. Allerdings testen wir normalerweise nicht auf Steroide, wenn wir keinen Grund zu der Vermutung haben, dass sie im Zusammenhang mit dem Tod des Verstorbenen stehen. Bei Wally stand die Todesursache jedoch eindeutig fest. Es gab keinen Grund zu der Vermutung, dass er, zumindest unmittelbar, von Steroiden umgebracht worden war. Nun ist es vielleicht zu spät, um das nachzuprüfen. Wir werden ihm keine Urinprobe mehr abnehmen können. Nur eine Haaranalyse ist noch möglich, denn Drogenmoleküle, auch Steroide, könnten sich im Haarschaft
abgesetzt haben. Steroide bei einer solchen Untersuchung aufzuspüren ist jedoch ziemlich unwahrscheinlich. Außerdem wird uns das Ergebnis nicht verraten, ob er sie von Fielding bekommen hat, Fielding kannte oder von Fielding ermordet worden ist. Doch ich bin bereit, es zu versuchen, denn als ich mich im Keller umschaue und mein Blick auf die Umrisse von Fieldings Leiche unter dem Laken auf dem Boden fällt, will ich der Frage nach dem Warum auf den Grund gehen. Ich muss es wissen und werde die Erklärung, er habe den Verstand verloren, nicht unwidersprochen hinnehmen. Sie genügt mir nicht.
Ich kehre zu dem Hartschalenkoffer an der Treppe zurück und nehme mir ein Paar Knieschoner, bevor ich mich neben das runde blaue Laken knie. Als ich Jack Fieldings Gesicht freilege, erschreckt mich, wie präsent er wirkt. Das ist das erste Wort, das mir einfällt. Präsent. So als wäre er noch bei uns und schliefe nur, fühlte sich aber nicht wohl. Allerdings strahlt er nichts Lebendiges oder Kraftvolles aus, und mein Verstand verarbeitet in Windeseile die aufgenommenen Eindrücke. Die vom Gel steifen Haarsträhnen, mit denen er die kahlen Stellen getarnt hat. Die roten Flecken im aufgedunsenen, blassen Gesicht. Ich ziehe das Laken ganz weg. Es raschelt, als ich es beiseitelege. Dann kauere ich mich auf die Absätze meiner Gummistiefel, betrachte ihn und mustere sein gegeltes hellbraunes Haar, das am Scheitel schütter wurde und hie und da ausgefallen ist, und das getrocknete Blut am Ohr und unter seinem Kopf.
Ich stelle mir vor, wie Jack Fielding sich die Glock ins linke Ohr gesteckt und abgedrückt hat. Dabei versuche ich, in seinen Verstand einzudringen und seine letzten Gedanken heraufzubeschwören. Warum hat er das getan? Warum ins Ohr? Die Schläfe ist bei Selbstmord durch Erschießen eine beliebte Stelle, aber nicht das Ohr. Und warum links und nicht rechts?
Fielding war Rechtshänder. Ich habe ihn oft mit seiner sogenannten Extremhändigkeit aufgezogen, denn seine linke Hand war zu nichts zu gebrauchen, was irgendeine Form von Geschicklichkeit oder Beweglichkeit vorausgesetzt hätte. Und wenn er sich während meiner
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