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Bastard

Bastard

Titel: Bastard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sich.
    »Wir wollen, dass der Täter bestraft wird«, ergänzt ihr Mann.
    »Ich kann mir nur einen Typ Mensch vorstellen, der für so etwas in Frage kommt, nämlich einen Feigling, dem es nur um Macht und politische Intrigen geht. Tun Sie das, was Ihr Gefühl Ihnen rät.«
    »Eddie, was meinst du?«

    »Ich schreibe an Senator Chappel.«
    »Das nützt doch sowieso nichts.«
    »Dann an Obama, Hillary Clinton, Joe Biden. Ich schreibe an alle«, beharrt er.
    »Wird jemand so viele Jahre später etwas unternehmen?«, sagt Mrs. Pieste zu ihrem Mann. »Ich bin nicht sicher, ob ich das noch einmal durchstehe, Eddie.«
    »Nun, ich muss wieder die Einfahrt freischippen«, verkündet er. »Sonst ersticken wir hier noch im Schnee. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht haben, Ma’am«, wendet er sich an mich. »Und dafür, dass Sie sich überhaupt bei uns gemeldet haben, um uns alles zu erzählen. Ich weiß, dass das sicher nicht leicht für Sie war, und ich bin sicher, meine Tochter hätte es zu schätzen gewusst, wenn sie es Ihnen noch selbst sagen könnte.«
    Nach dem Telefonat sitze ich eine Zeitlang auf dem Bett. Die Unterlagen und Fotos befinden sich wieder in dem grauen Ziehharmonikaordner, in dem sie die letzten zwei Jahrzehnte gelegen haben. Ich beschließe, den Ordner im Safe im Keller zu verstauen. Aber nicht jetzt. Denn ich fühle mich im Moment nicht danach, in den Keller und zum Safe zu gehen. Außerdem glaube ich, dass gerade jemand in unsere Auffahrt eingebogen ist. Ich höre das Knirschen von Schnee und bin nicht in der Stimmung, nachzuschauen, wer es ist. Also werde ich noch eine Weile hier oben bleiben. Vielleicht schreibe ich ja eine Einkaufsliste, überlege mir, was noch alles zu erledigen ist, oder streichle einfach nur Sock.
    »Ich kann jetzt nicht mit dir spazieren gehen«, meine ich zu ihm.
    Er hat sich neben mir zusammengerollt. Sein Kopf ruht auf meinem Oberschenkel. Das traurige Gespräch, dessen Zeuge er soeben geworden ist, berührt ihn nicht, denn er ahnt nicht, was es über die Welt aussagt, in der er lebt. Andererseits hat er
Bekanntschaft mit Grausamkeit gemacht, vielleicht mehr als die meisten von uns.
    »Keine Spaziergänge ohne Mantel«, fahre ich fort und streichle ihn. Er gähnt und leckt mir die Hand. Ich höre ein Piepsen, als die Alarmanlage deaktiviert wird. »Ich glaube, wir werden es mit Hundeschuhen versuchen«, teile ich Sock mit, während Marinos und Bentons Stimmen von der Tür zu mir heraufwehen. »Wahrscheinlich wirst du die kleinen Schuhe nicht mögen, die eigens für Hunde hergestellt werden, und wirst ziemlich böse auf mich sein. Doch ich verspreche dir, dass sie gut für dich sind. So, und jetzt kriegen wir Besuch.« Ich erkenne Marinos schwere Schritte auf der Treppe. »Du bist ihm gestern schon in dem großen Transporter begegnet. Der große Mann in Gelb, der mir meistens auf die Nerven fällt. Aber nur damit du es weißt, du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten. Er ist kein schlechter Mensch, und wie du sicher schon bemerkt hast, neigen alte Bekannte dazu, härter miteinander umzugehen, als sie es mit Fremden täten.«
    »Jemand zu Hause?« Marinos dröhnende Stimme erreicht vor ihm das Schlafzimmer, als er den Türknauf umdreht, klopft und die Tür öffnet. »Benton sagt, du bist anständig angezogen. Mit wem hast du geredet? Telefonierst du?«
    »Dann ist er offenbar unter die Hellseher gegangen.« Ich sitze im Bett und habe unter der Decke nur meinen Pyjama an. »Ich telefoniere nicht und habe auch mit niemandem geredet. «
    »Wie geht es Sock? Na, wie fühlst du dich, alter Junge?« Bevor ich antworten kann, fügt er hinzu: »Warum riecht er denn so komisch? Womit hast du ihn denn eingeschmiert? Einem Flohmittel? Um diese Jahreszeit? Du siehst wieder ganz in Ordnung aus. Wie geht es dir?«
    »Ich habe seine Ohren gereinigt.«
    »Und wie geht es dir, Doc?«

    Marino ragt vor mir auf. Er wirkt noch gewaltiger als sonst, weil er einen dicken Parka, eine Baseballkappe und Wanderstiefel trägt, während ich nur einen Pyjama anhabe und mich diskret unter Decke und Federbett tarne. In der Hand hält er einen kleinen schwarzen Kasten, den ich als Lucys iPad erkenne – außer er hat sich selbst eines zugelegt, was ich bezweifle.
    »Ich habe nichts abgekriegt. Ich bin unverletzt. Heute Morgen bin ich nur hier oben geblieben, um einige Dinge zu erledigen«, erkläre ich ihm. »Ich nehme an, Dawn Kincaid ist auf dem Weg der Besserung. Die letzte

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