Bastard
den Autopsiebericht. Ich habe die Kopien, die mir der Anwalt vom Pentagon geschickt hat.«
»Die Unterschrift ist nicht von mir.« Ich habe mich geweigert, Dokumente zu unterzeichnen, deren Inhalt nicht der Wahrheit entsprach. Doch allein die Tatsache, dass ich von der Lüge wusste, macht mich zur Mitschuldigen. »Mir liegen keine Kopien vor, auch wenn das für Sie vermutlich schwer zu glauben ist«, füge ich hinzu. »Man hat sie mir nie ausgehändigt. Ich habe nur meine eigenen Notizen und Aufzeichnungen, die ich vor meiner Abreise aus Südafrika per
Post in die USA geschickt habe. Ich habe nämlich befürchtet, dass man mein Gepäck durchsuchen würde, was auch prompt geschah.«
»Aber Sie haben die Papiere unterschrieben, die ich hier vor mir habe.«
»Ich schwöre, es ist nicht meine Unterschrift«, antworte ich ruhig, jedoch mit Nachdruck. »Wahrscheinlich haben gewisse Leute dafür gesorgt, dass meine Unterschrift auf diesen gefälschten Dokumenten steht, nur für den Fall, dass ich mich genau zu dem entschließen sollte, was ich gerade tue.«
»Für den Fall, dass Sie sich entschließen sollten, die Wahrheit zu sagen.«
Es ist nicht leicht, es in diesen schonungslosen Worten zu hören. Die Wahrheit. Eine Andeutung, dass mich meine jahrelange Heimlichtuerei zur Lügnerin macht.
»Es tut mir leid«, wiederhole ich. »Sie hatten schon damals, als Ihre Tochter und deren Freundin starben, ein Recht auf die Wahrheit.«
»Allerdings kann ich verstehen, warum Sie geschwiegen haben.« Inzwischen klingt Mrs. Pieste nicht mehr so aufgebracht. Sie wirkt eher neugierig und erleichtert, über etwas sprechen zu können, was den Großteil ihres Lebens beherrscht hat. »Menschen, die zu so etwas in der Lage sind, ist alles zuzutrauen. Sie kennen keine Grenzen. Andere hätten zu Schaden kommen können. Sie auch.«
»Ich hätte nicht gewollt, dass jemand zu Schaden kommt«, erwidere ich. Es macht mir zu schaffen, dass sie meinen könnte, ich hätte aus Angst um meine eigene Sicherheit den Mund gehalten. In dieser Zeit habe ich mich vor vielen Dingen und Menschen gefürchtet, die ich nicht sehen konnte. Ich wollte weitere Todesopfer und Falschbezichtigungen verhindern.
»Hoffentlich ist Ihnen klar, dass man beim Lesen des Autopsieberichts glaubt, Ihre Untersuchungsergebnisse vor sich
zu haben, nicht dass ich die vielen medizinischen Fachbegriffe alle verstanden hätte«, fährt Mrs. Pieste fort.
»Es sind nicht meine, und sie sind falsch. Das Gewebe hat nicht reagiert. Die Verletzungen wurden den Opfern erst viele Stunden nach ihrem Tod zugefügt, Mrs. Pieste. Was Noonie und Joanne zugestoßen ist, geschah, als sie schon längst nicht mehr lebten.«
»Was macht Sie so sicher, dass man den beiden Drogen verabreicht hat, wenn Sie sie nicht darauf untersucht haben?«, hakt sie nach. Ich höre, dass ein zweiter Telefonhörer abgehoben wird.
»Hier spricht Edward Pieste«, meldet sich eine Männerstimme. »Ich höre mit. Ich bin Noonies Vater.«
»Herzliches Beileid.« Es klingt abgedroschen und oberflächlich. »Ich wünschte, ich wüsste, was ich Ihnen beiden sagen soll. Ich bedaure, dass man Sie belogen hat und dass ich es zugelassen habe, obwohl ich mich nicht rechtfertigen möchte …«
»Wir verstehen, warum Sie damals schweigen mussten«, entgegnet der Vater. »Die politische Stimmung in jener Zeit und unsere Regierung, die heimlich mit dem Apartheidregime unter einer Decke steckte. Davon handelte ja Noonies Dokumentarfilm. Da man dem Filmteam die Einreise nach Südafrika verweigert hat, mussten sich die Mitglieder einzeln als Touristen ins Land schmuggeln. Es war ein großes, schmutziges Geheimnis, was unsere Regierung alles unternommen hat, um die Menschenrechtsverletzungen dort weiter möglich zu machen.«
»So geheim war es nun auch wieder nicht, Eddie«, wendet Mrs. Pieste ein.
»Nun, im Weißen Haus hat man getan, als wüsste man von nichts.«
»Sicher hat man Ihnen von dem Dokumentarfilm erzählt,
den Noonie drehen wollte. Sie hatte noch so viel vor«, fährt Mrs. Pieste fort, während ich ein Foto ihrer Tochter betrachte, das die Piestes nie zu Gesicht bekommen dürfen.
»Über die Kinder der Apartheid«, antworte ich. »Ich habe ihn mir angeschaut, als er hier ausgestrahlt wurde.«
»Die Schrecken der Ideologie von der Überlegenheit der weißen Rasse«, sagt sie. »Überhaupt von jeglicher Form von Rassismus.«
»Ich habe den Anfang des Gesprächs versäumt«, meldet sich wieder Mr. Pieste zu
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