Bastard
Benton. »Sein Suburban hat keine solchen Scheinwerfer und außerdem auch vorn ein Nummernschild. Dieser Wagen hat keines. Also kommt er aus einem Bundesstaat, in dem vordere Nummernschilder nicht vorgeschrieben sind. Eine andere Möglichkeit ist, dass man es entfernt oder abgedeckt hat.«
Als ich mich umdrehe, tut mir das Licht in den Augen weh. Der Geländewagen ist nur wenige Autolängen hinter uns.
»Ob er uns überholen will?«, überlege ich laut.
»Lass uns mal sehen, aber ich denke nicht.« Benton wird langsamer. Der Geländewagen auch. »Ich zwinge dich, uns zu überholen, was hältst du davon?« Er spricht mit dem Fahrer hinter uns. »Merk dir die Nummer auf dem hinteren Schild, wenn er vorbeifährt«, weist er mich an.
Wir stehen beinahe mitten auf der Straße. Der Geländewagen stoppt ebenfalls. Im nächsten Moment fährt er rasch rückwärts, wendet und rast schlingernd auf der verschneiten Straße in die Winternacht hinein. Ich kann weder das Kennzeichen noch andere Einzelheiten am Wagen erkennen. Nur, dass er dunkel und groß ist.
»Warum sollte uns jemand verfolgen?«, frage ich Benton, als ob er die Antwort wüsste.
»Ich habe keinen Schimmer, was das sollte«, erwidert Benton.
»Jemand hat uns verfolgt. Das war Sinn und Zweck der Übung. Er ist wegen des Wetters so dicht aufgefahren. Die Sicht ist nämlich so schlecht, dass man den anderen sonst leicht aus den Augen verliert, wenn er abbiegt.«
»Irgendein Schwachkopf«, entgegnet Benton. »Sicher kein Profi. Außer er hat es darauf angelegt, dass wir seine Gegenwart bemerken. Vielleicht hat er auch gedacht, es würde uns nicht auffallen.«
»Wie hat er das bloß geschafft? Wir sind doch gerade durch einen Schneesturm gefahren. Wo zum Teufel kam er her? Aus dem Nichts?«
Benton greift zum Telefon und tippt eine Nummer ein.
»Wo bist du?«, fragt er die Person, die abhebt, und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: »Ein großer Geländewagen mit Nebelleuchten und Xenonscheinwerfern und ohne vorderes Nummernschild ist uns fast in den Kofferraum gefahren. Richtig. Hat dann gewendet und ist in die entgegengesetzte Richtung davon. Ja, auf der Route 2. Ist so jemand an dir vorbeigekommen? Das ist aber seltsam. Wahrscheinlich abgebogen. Nun, falls … Ja. Danke.«
Benton legt das Telefon zurück auf die Mittelkonsole und erklärt: »Marino ist ein paar Minuten hinter uns. Dicht gefolgt von Lucy. Der Geländewagen hat sich in Luft aufgelöst. Wenn
jemand so dumm ist, uns zu verfolgen, wird er es wieder versuchen, und dann erwischen wir ihn. Und falls es die Absicht war, uns einzuschüchtern, kennt der Betreffende seine Zielpersonen nicht.«
»Jetzt sind wir also Zielpersonen.«
»Jemand, der uns kennt, würde sich gar nicht erst die Mühe machen.«
»Deinetwegen.«
Benton schweigt. Doch ich habe recht. Jeder, der auch nur ein bisschen über Benton im Bilde ist, wäre nie so vermessen, ihm Angst einjagen zu wollen. Ich spüre seine harte Seite und seine stählerne Entschlossenheit und weiß, wozu er in der Lage ist, wenn er sich bedroht fühlt. Er und Lucy haben eine recht ähnliche Einstellung zu Konfliktsituationen. Sie begrüßen sie. Nur, dass Benton kühler, berechnender und beherrschter ist, als es meine Nichte je sein wird.
»Erica Donahue.« Das ist der erste Name, der mir einfällt. »Sie hat uns bereits jemanden auf den Hals gehetzt, der uns aufhalten soll. Vermutlich ahnt sie nicht, wie gefährlich der charmante und attraktive Harvard-Psychologe ihres Sohnes ist.«
Benton verzieht keine Miene. »Klingt nicht plausibel.«
»Wie viele Leute sind über unseren Aufenthaltsort informiert? « Es ist zwecklos, die gnadenlos angespannte Stimmung auflockern zu wollen. Benton hat seine eigene Art von Wachsamkeit. Sie unterscheidet sich von Lucys, und er ist viel besser darin, sie zu verbergen. »Oder meinen Aufenthaltsort. Wie viele wissen davon?«, beharre ich. »Offenbar nicht nur die Mutter und der Chauffeur. Was hat Jack angestellt?«
Benton gibt wieder Gas und antwortet nicht.
»Du glaubst doch nicht etwa, Jack könnte einen Grund
haben, uns einzuschüchtern oder es auch nur zu versuchen?«, ergänze ich.
Da Benton schweigt, setzen wir die Fahrt wortlos fort. Von dem Geländewagen mit den Nebelleuchten und Xenonscheinwerfern fehlt jede Spur.
»Lucy hat den Verdacht, dass er in letzter Zeit sehr viel trinkt«, erwidert Benton schließlich. »Aber das solltest du dir von ihr selbst erzählen lassen. Und von Marino.« Sein
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