Bastard
Außerdem kann man es ganz klar bestimmen«, wiederhole ich. »Hinzu kommt, dass ich, mit Ausnahme der Berichte im Internet, zum ersten Mal von der Nagelpistole höre. Und auf diese Berichte habe ich nichts gegeben, genauso wenig wie auf die meisten Nachrichtenmeldungen, solange ich die genauen Quellen nicht kenne.«
»Er hat erklärt, dass man eine Spur ähnlich dem Mündungsabdruck bei einem aufgesetzten Schuss erhält, wenn man jemandem eine Nagelpistole an den Kopf presst. Die Spuren auf der Kopfhaut und dem darunterliegenden Gewebe könnten daher rühren. Und deshalb gebe es auch keine Anzeichen dafür, dass der Junge sich gewehrt hat oder wusste, was geschah.«
»Man würde keinen Mündungsabdruck ähnlich wie bei einem aufgesetzten Schuss bekommen. Das geht einfach nicht«, protestiere ich. »Die Verletzungen, die ich auf den Fotos gesehen habe, stammen von einem Hammer. Und dass nichts auf Gegenwehr hinwies, heißt nicht, dass der Junge nicht durch Drohungen, Versprechen oder Manipulation zum Mitmachen bewegt wurde. Ich habe den Eindruck, als wollten gewisse Personen die Tatsachen aus Voreingenommenheit unter den Teppich kehren. Das ist ausgesprochen gefährlich …«
»Meiner Ansicht nach ist Fielding derjenige, der in diesem Fall die Tatsachen unter den Teppich kehrt. Vielleicht mit Absicht …«
»Gütiger Himmel, Benton. Er mag ja in vielerlei Hinsicht …«
»Oder es ist Nachlässigkeit. Eines von beidem muss es sein«, fügt Benton hinzu. Er denkt an etwas Bestimmtes. Davon bin ich überzeugt. »Hör zu, du hast in den letzten sechs Monaten dein Bestes getan.«
»Was soll das schon wieder bedeuten?« Allerdings weiß ich
genau, was es heißt, nämlich das, wovor ich mich während meiner Abwesenheit jeden Tag aufs Neue gefürchtet habe.
»Erinnerst du dich noch an die graue Vorzeit in Richmond, als er bei dir in der Facharztausbildung war?« Benton nähert sich verbotenem Terrain, auch wenn er das nicht ahnen kann. »Vom ersten Tag an hat er es nicht ertragen, Kinder zu obduzieren. Wie du bereits betont hast, entspricht das den Fakten. Wenn ein Kind eingeliefert wurde, hat er die Beine in die Hand genommen und blieb manchmal tagelang verschwunden. Du bist dann herumgefahren, um ihn zu suchen, warst bei ihm zu Hause, in seiner Stammkneipe, im gottverdammten Fitness-Studio oder im Taekwondo-Club, wo er sich entweder bis zur Bewusstlosigkeit besoffen oder jemanden ordentlich vermöbelt hat. Nicht, dass sich jemand gern mit toten Kindern befasst. Doch dieser Mann hat ein ernsthaftes Problem.«
Ich hätte Fielding dazu raten sollen, sich auf die chirurgische Pathologie zu verlegen, in einem Krankenhaus zu arbeiten und Biopsien zu untersuchen. Stattdessen habe ich ihn betreut und ermutigt.
»Aber er hat den Fall Mark Bishop übernommen«, ergänzt Benton. »Er hätte einen deiner anderen Mitarbeiter damit beauftragen können. Ich hoffe nur, dass er nicht zu allem Überfluss auch noch gelogen hat.« Allerdings glaubt Benton, dass Fielding lügt. Das merke ich ihm an.
»Zu allem Überfluss?«, wiederhole ich, während ich aus dem Seitenspiegel blicke und mich frage, warum Marino so dicht auffährt.
»Hoffentlich hat ihm niemand den Floh ins Ohr gesetzt, er solle eine mögliche Nagelpistole erwähnen, obwohl er es besser weiß.« Benton besitzt die Fähigkeit, sämtliche Spiegel zu kontrollieren, ohne dabei den Kopf zu bewegen. In all den Jahren als verdeckter Ermittler war das lebensnotwendig. Manche Gewohnheiten legt man eben nie ab.
»Wer?«, frage ich.
»Keine Ahnung.«
»Du klingst, als wüsstest du es sehr wohl und wolltest es mir nicht erzählen.« Es ist zwecklos, ihn zu drängen. Wenn er es mir nicht sagt, dann deshalb, weil er es nicht darf. Auch nach zwanzig Jahren fällt mir der Eiertanz nicht leichter.
»Die Polizei brennt darauf, diesen Fall abzuschließen, so viel steht fest. Die Ermittler wollen eine Nagelpistole als Waffe, weil in Johnnys Geständnis davon die Rede ist und weil es sich leichter verkraften lässt als ein Hammer. Es gefällt mir gar nicht, dass jemand Jack beeinflusst hat.«
»Hat es sich so abgespielt? Oder stellst du nur Vermutungen an?«
»Und es besorgt mich auch, dass es vielleicht sogar Jack selbst ist, der andere Leute beeinflusst«, fügt Benton hinzu. Das ist es also, was er wirklich denkt.
»Ich wünschte, Marino würde nicht so dicht auffahren. Er blendet mich mit seinen verdammten Scheinwerfern. Was hat er vor?«
»Es ist nicht Marino«, erwidert
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