Bastard
Tonfall ist kalt, und ich höre ihm an, dass er kein Verständnis dafür hat. Obwohl er meistens kein Wort darüber verliert, empfindet er für Fielding nichts als Verachtung.
»Warum sollte Jack lügen? Welchen Grund hat er, andere zu beeinflussen?«, kehre ich zum ursprünglichen Thema zurück.
»Offenbar hat er sich angewöhnt, zu spät zur Arbeit zu kommen und unangemeldet zu verschwinden. Außerdem ist seine Hautkrankheit wieder ausgebrochen.« Benton geht nicht auf meine Frage ein. »Ich hoffe nur, dass er nicht zusätzlich zu allem anderen auch noch Steroide einwirft, zumal in seinem Alter.«
Ich widerstehe der Versuchung, Fielding wie immer in Schutz zu nehmen: Wenn er akut unter Druck steht, leidet er an Ekzemen, gegen die er machtlos ist. Bei ihm hat sich schon immer alles um seinen Körper gedreht, ein klassischer Fall von Megarexie oder gestörtem Körperbild, was die Muskulatur betrifft, vermutlich eine Folge des sexuellen Missbrauchs, den er als kleiner Junge erleiden musste. Es wäre absurd, die Liste durchzugehen, weshalb ich es diesmal nicht tun werde. Zum ersten Mal nicht. Stattdessen schaue ich immer wieder in den Seitenspiegel. Aber die Xenonscheinwerfer und die Nebelleuchten sind fort.
»Warum sollte er in diesem Fall lügen?«, wiederhole ich. »Warum sollte er jemanden beeinflussen wollen?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie man es schafft, dass ein Kind ruhighält und sich so etwas antun lässt«, sagt Benton. Er
denkt an Mark Bishops Tod. »Die Familie war im Haus und hat die Schreie angeblich nicht gehört. Die Eltern behaupten, Mark habe friedlich gespielt und im nächsten Moment bäuchlings im Garten gelegen. Ich versuche nur, mir zu vergegenwärtigen, wie es sich abgespielt hat, und kann es nicht.«
»Gut, dann sprechen wir eben über dieses Thema, da du meine Frage ja offenbar nicht beantworten willst.«
»Ich habe mir Mühe gegeben, mir ein Bild davon zu machen und den Vorfall zu rekonstruieren, aber Fehlanzeige. Die Familie war zu Hause. Der Garten ist nicht groß. Wie ist es möglich, dass niemand jemanden bemerkt oder etwas gehört hat?«
Seine Miene ist ernst, als wir am Lanes & Games vorbeifahren, wo Marino in einer Bowlingmannschaft spielt. Wie heißt sie noch einmal? Der Club der Gnadenlosen. Seine neuen Freunde sind alle bei der Polizei und beim Militär.
»Ich dachte, ich hätte im Leben schon alles gesehen. Doch das hier übersteigt meine Vorstellungskraft«, fügt Benton hinzu, weil er mir nicht sagen kann oder will, was er wirklich über Fielding denkt.
»Der Mörder muss genau gewusst haben, was er tat.« Ich habe ein Bild vor Augen und sehe das Verbrechen in allen qualvollen Einzelheiten vor mir. »Er ist jemand, in dessen Gegenwart der Junge sich sicher gefühlt hat. Vielleicht hat er ihn ja überredet, seine Anweisungen zu befolgen. Mark könnte geglaubt haben, dass es nur ein Spiel oder ein Zaubertrick ist.«
»Ein Fremder erscheint plötzlich in seinem Garten und bringt ihn dazu, bei einem Spiel mitzumachen, das daraus besteht, ihm Nägel in den Kopf zu schlagen – oder so zu tun, als ob, was wahrscheinlicher ist.« Benton überlegt. »Kann sein. Aber ein Fremder? Da bin ich mir nicht so sicher. Es hat mir gefehlt, mit dir zu reden.«
»Es war kein Fremder, oder zumindest hat Mark ihn nicht als solchen empfunden. Ich vermute, dass er keinen Grund hatte, dem Täter zu misstrauen, ganz gleich, was dieser auch von ihm verlangt haben mag.« Ich stütze mich auf das, was ich über seine Verletzungen beziehungsweise deren Fehlen weiß. »Die Leiche weist keinerlei Anzeichen dahingehend auf, dass der Junge Angst hatte, in Panik war oder versucht hat, sich zu wehren oder zu fliehen. Wahrscheinlich kannte er den Täter oder war aus irgendeinem Grund bereit, seine Bitten zu erfüllen. Mir hat es auch gefehlt, mit dir zu reden. Doch nun bin ich hier, und du redest nicht mit mir.«
»Ich rede mit dir.«
»Irgendwann schütte ich dir Sodiumpentothal ins Glas und finde alles heraus, was du mir nie verraten hast.«
»Wenn es denn funktionieren würde, würde ich mich revanchieren. Und anschließend würden wir beide ordentlich in Schwierigkeiten stecken. Du willst gar nicht alles wissen. Oder du solltest es nicht. Und ich vermutlich auch nicht.«
»Vier Uhr nachmittags am 30. Januar.« Ich überlege, wie dunkel es wohl zum Zeitpunkt des Mordes an Mark gewesen sein mag. »Wann ist an diesem Tag die Sonne untergegangen? Wie war das Wetter?«
»Um halb fünf war
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