Bastard
es stockfinster, kalt und bedeckt«, erwidert Benton, der sich zuallererst über diese Fakten kundig gemacht hätte, wenn er der zuständige Ermittler wäre.
»Ich versuche, mich zu erinnern, ob Schnee gelegen hat.«
»Nicht in Salem. Es regnet viel, wegen des Hafens. Das Wasser erwärmt die Luft.«
»Also wurden im Garten der Bishops keine Fußabdrücke sichergestellt.«
»Nein. Außerdem dämmerte es um vier, und der Garten befand sich im Schatten von Gebüsch und Bäumen«, erklärt Benton, als wäre er tatsächlich der für diesen Fall zuständige
Polizist. »Laut Aussage der Familie ging Mrs. Bishop, die Mutter, um zwanzig nach vier hinaus, um Mark ins Haus zu holen, und fand ihn auf dem Bauch liegend im Laub vor.«
»Warum nehmen wir an, dass er erst kurz zuvor getötet worden war? Die Autopsieergebnisse lassen es doch sicher nicht zu, den Todeszeitpunkt auf Punkt vier Uhr festzulegen.«
»Die Eltern erinnern sich, dass sie gegen Viertel vor vier aus dem Fenster geschaut und Mark beim Spielen gesehen haben.«
»Spielen? Was genau heißt das? Was für ein Spiel?«
»Ich weiß nicht genau.« Wieder Bentons Herumgedruckse.
»Ich würde gern mit der Familie sprechen.« Vermutlich hat er es bereits getan. »Es gibt noch einige offene Fragen. Aber er hat allein im Garten gespielt, und als seine Mutter gegen Viertel nach vier aus dem Fenster sah, konnte sie ihn nirgendwo entdecken. Also ist sie hinaus, um ihn ins Haus zu holen, fand ihn und versuchte ihn wachzurütteln. Dann hat sie ihn hochgehoben und ist mit ihm ins Haus gelaufen. Um genau 16 Uhr 23 hat sie die Notrufnummer gewählt. Sie war außer sich und sagte, ihr Sohn atme und bewege sich nicht. Sie fürchte, etwas könne in seine Luftröhre geraten sein.«
»Was hat sie denn auf diesen Gedanken gebracht?«
»Offenbar hat er ein paar von Weihnachten übriggebliebene Süßigkeiten in die Tasche gesteckt, bevor er losgezogen ist. Harte Bonbons. Und das Letzte, was sie zu ihm gesagt hat, als er zur Tür hinauslief, war, er solle beim Rennen und Springen keine Bonbons lutschen.«
Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass Benton eine Einzelheit wie diese von den Bishops persönlich erfahren hat. Offenbar hat er tatsächlich mit ihnen geredet.
»Und wir wissen nicht, was er gespielt hat? Er ist allein herumgerannt und gesprungen?«, erkundige ich mich.
»Ich bin erst seit Johnnys Geständnis mit dem Fall befasst.«
Wieder weicht Benton mir aus. Aus irgendeinem Grund will er mir nicht verraten, was Mark in seinem Garten gemacht hat. »Später hat Mrs. Bishop der Polizei berichtet, sie habe niemanden in der Gegend bemerkt und es weise auch nichts darauf hin, dass jemand auf ihrem Grundstück gewesen sei. Sie habe erst in der Notaufnahme erfahren, dass Mark ermordet wurde. Die Nägel waren vollständig eingeschlagen worden, so dass sein Haar sie verdeckt hat. Außerdem hat es nicht geblutet. Und seine Schuhe fehlten. Beim Spielen im Garten trug er Turnschuhe von Adidas. Sie sind seitdem nicht mehr aufgetaucht.«
»Ein Junge, der in der Dämmerung im Garten spielt. Schwer vorstellbar, dass er die Anweisungen eines Fremden befolgt. Außer, derjenige gehörte zu einer Personengruppe, der er instinktiv vertraut hat«, beharre ich.
»Ein Feuerwehrmann. Ein Polizist. Der Fahrer des Eiscremewagens. Oder jemand dergleichen«, meint Benton sofort, als ob es kein Problem wäre, über dieses Thema zu sprechen. »Oder noch schlimmer: ein Mitglied seiner eigenen Familie.«
»Ein Familienmitglied bringt ihn auf so sadistische Weise um und nimmt dann seine Schuhe mit? Die Sache mit den Schuhen klingt nach Souvenir.«
»Oder sie soll danach aussehen«, merkt Benton an.
»Ich bin keine forensische Psychologin«, wende ich ein. »Ich übernehme gerade deine Rolle, was ich nicht sollte. Ich würde gern sehen, wo es passiert ist. Jack war nie am Tatort, obwohl er sich dort hätte umschauen müssen.« Als ich diese Worte ausspreche, verdüstert sich meine Stimmung noch mehr. Er war weder im Fall Mark Bishop noch in Norton’s Woods am Tatort.
»Vielleicht war es ja auch ein anderes Kind, und sie haben ein Spiel mit tödlichen Folgen gespielt«, schlägt Benton vor.
»Falls es ein anderes Kind war«, gebe ich zurück, »besaß es bemerkenswerte anatomische Kenntnisse.«
Ich rufe mir die Autopsiefotos ins Gedächtnis, die den Kopf des Jungen mit zurückgeschlagener Kopfhaut zeigen. Dann denke ich an die CT-Aufnahmen, dreidimensionale Bilder von vier fünf
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