BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)
Eisbechers stumm an.
»Was ist«, forderte ich sie auf, »fragen Sie mich etwas. Geburtsort, Elternhaus, Hobbies, Größe, Gewicht … wenn Sie wollen verrate ich Ihnen sogar mein Alter. Was wollen Sie von mir wissen?«
Ihre linke Hand machte eine beschwichtigende Geste, wie zufällig berührten dabei ihre Finger die meinen.
»Warum so eilig; haben Sie etwa keine Zeit?«
»Nein, das ist es nicht, aber …« Sie hatte ihre Hand nicht weggezogen; zuerst meinte ich es mir nur einzubilden, aber ich fühlte deutlich, wie meine Haut gestreichelt wurde, ganz langsam, unendlich sanft.
»Man muss nicht immer nur reden, Thomas«, lächelte sie ernst. Zum ersten Mal hatte sie mich bei meinem Vornamen genannt. »Sie würden sich wundern, was Sie mir heute Abend schon alles über sich erzählt haben, auch ohne viele Worte.«
Ich erwiderte ihren Händedruck, so als sei damit ein Vertrag zwischen uns beiden geschlossen worden. Und eigentlich war dem auch so.
Das, was von nun an zwischen uns passierte, bedurfte keiner langen Erklärungen mehr. Schweigend verließen wir das Restaurant, schweigend gingen wir zurück zu meinem Wagen. Und fast ebenso schweigsam verlief die Fahrt zu ihrer Wohnung. (Natascha gab nur einige knappe Richtungsanweisungen.) Die ganze Zeit über “unterhielten“ sich dafür unsere Augen und Hände so angeregt miteinander, dass jedes zusätzliche Wort einer rohen Störung gleichgekommen wäre. Mein alter Chevy fuhr wie auf Schienen; nachdem ich den Motor in einer spärlich beleuchteten Seitenstraße abgestellt hatte, wusste ich nicht einmal, in welchem Stadtteil ich mich befand.
Natascha führte mich durch eine dunkle Hofeinfahrt, vorbei an zerbeulten Müllcontainern, deren aufgesperrten Mäulern ein bestialischer Gestank entwich. Mir blieb kaum Gelegenheit, mich über die schäbige Wohngegend zu wundern, so schnell zog sie mich weiter. Nur knapp wich ich in der Dunkelheit den skelettartigen Überresten eines Fahrrades aus; bei der Scherbe einer zerbrochenen Flasche hatte ich weniger Erfolg, laut klirrend beförderte sie meine Schuhspitze über den Asphalt. Natascha drehte sich abrupt zu mir herum, den Zeigefinger auf ihren Lippen. »Schhhhhht!« Wozu diese Heimlichkeit? Ich bezweifelte, ob es hier Mieter gab, die sich wegen nächtlicher Ruhestörung beschweren würden. Meine Begleiterin bewegte sich allerdings so lautlos über dieses Minenfeld aus Abfall, als sei der einzig begehbare Weg hell mit Neonlampen markiert. Sie musste erstaunlich gute Augen haben.
Ich folgte ihr über einen kleinen Hinterhof zu einem in rotes Licht getauchten Hausflur. Eine hohl klingende Eisentreppe wand sich in Spiralen die Stockwerke hinauf. Nataschas Wohnung lag direkt unter dem Dach. Obwohl ich die Umgebung nicht genau identifizieren konnte, glaubte ich mich in einem alten Fabrikgebäude zu befinden. Es roch leicht nach Staub und Maschinenöl.
Vor einer grauen Metalltür, von der der Lack in gezackten Mustern abblätterte, blieb Natascha stehen und suchte nach ihrem Schlüssel. Sie musste nicht weniger als vier Schlösser öffnen, bevor sich die Tür leise quietschend bewegte.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, erklärte sie und gewährte mir dabei den Zutritt zu ihrem ›Allerheiligsten‹. Ich nickte, obwohl ich nichts verstand. Was befand sich in diesen heruntergekommenen Industrieräumen, was derartige Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigte; hatte sie sich etwa aus Angst vor Einbrechern so verbarrikadiert? Ich konnte es nicht glauben. Welcher Gauner war schon in einer solchen Gegend auf Beutezug, und selbst wenn, was erhoffte er sich hier zu finden? Nein, es musste andere Gründe dafür geben.
Bereits im Vorraum ereilte mich so etwas wie eine Antwort. Wie angewurzelt blieb ich stehen, das Schließen der Tür hinter mir vernahm ich kaum. Hätte ich nicht gewusst, auf welchem Wege ich hier herauf gelangt war, so hätte ich diese Wohnung sicher nicht in dieser finsteren Gegend der Stadt vermutet. Eigentlich, wenn ich ehrlich bin, hätte ich dies hier nicht einmal auf dem Boden der Vereinigten Staaten erwartet. Es waren keine ausgefallenen Designer-Stücke, die meine Aufmerksamkeit erregten, ähnliches war man von ausgeflippten Yuppies ja gewohnt, hier war es die völlige Fremdartigkeit, das Geheimnisvolle des Raumes, das mich gefangen hielt. Auf den ersten Blick wirkte der Raum trotz einigem Inventar unbewohnt – oder unbewohnbar. Vor mir, auf dem unebenen weißen Zementboden, lagen drei kleinere Teppiche.
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