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BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

BASTET (Katzendämmerung) (German Edition)

Titel: BASTET (Katzendämmerung) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Gordon Wolf
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ganze Sache wäre nur ein Scherz. Es gab unzählige attraktive Frauen, die es als köstlichen Spaß empfanden, einen “heiß gemachten“ Verehrer eiskalt abblitzen zu lassen. Instinktiv spürte ich jedoch, wie ernst es meiner Verabredung war. Sie machte keine Späße, wenigstens nicht in dieser Beziehung. Und so war es auch. Pünktlich auf die Minute betrat sie das Lokal. Als sie in ihrer graziösen, schwingenden Art durch den Mittelgang auf meinen Tisch zusteuerte – zielbewusst und selbstsicher, in ihren Bewegungen niemals affektiert oder überheblich – war ich mit Sicherheit nicht der einzige Mann im Raum, der diese außergewöhnliche Frau mit seinen Blicken verschlang.
    Obwohl wir beide alles andere als ›der Fotograf‹ und ›das Modell‹ waren, gelang mir eine recht lockere Begrüßung. Mit weltmännischem Elan bot ich ihr einen Stuhl an und bestellte beim Ober zwei Aperitifs zum Warmwerden. Die berufliche Erfahrung mit schönen Frauen zahlte sich möglicherweise doch aus. Aber eigentlich war alles ganz anders; ähnlich wie sie, war auch ich weit davon entfernt, irgendeine Rolle zu spielen. Wir waren ganz einfach ein Mann und eine Frau, die mehr voneinander wissen wollten. Die uralte Geschichte.
    Hatte ich erwartet, eine einseitige Unterhaltung bestreiten zu müssen, bei der ich ihr nur mühsam Wort für Wort entlocken konnte, so überraschte sie mich nun mit einer verblüffenden Gesprächigkeit. Endlich verriet sie mir auch ihren Namen: Natascha. Es klang wie Samt.
    Während wir auf unser Essen warteten, verriet sie mir etwas Interessantes über den Zoo. Sie empfand es als ein gutes Omen, dass wir uns ausgerechnet dort begegnet waren. Dieser Ort hatte für sie eine besondere Bedeutung, er war zu einer Art Zuflucht für sie geworden. Wann immer sie traurig oder glücklich war, hier fand sie stets die nötige Ruhe und auch die Abgeschiedenheit, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie kannte einige Plätze, wohin sich nur selten Besucher verliefen.
    »Tiere sind wunderbare Zuhörer«, versicherte sie mir ernsthaft. »Sie können einfach nur zuhören, ohne Vortäuschung von Mitgefühl oder Anteilnahme. Sie müssen nicht antworten. Du spürst auch so, dass sie dich verstehen.«
    Der Zoo musste für Natascha die Eltern ersetzen, die sie nie gehabt hatte. Sie war gerade zwei Jahre alt gewesen, als Vater und Mutter bei einem Autounfall ums Leben kamen. Sie selbst hatte wie durch ein Wunder überlebt. Da keine Verwandten ausfindig gemacht werden konnten, war das Los des kleinen Kindes besiegelt. Jahre in Waisenhäusern und bei wechselnden Pflegeeltern folgten. Sie sprach über dieses dunkle Kapitel ihres Lebens in einer so unbekümmerten, ja freundlichen Art, als habe sie unter dem Fehlen der Eltern nie wirklich gelitten. Ich meinte, hinter dieser offenbar so heilen Fassade mehr zu entdecken. Die selbstsichere, unabhängige Natascha, wie ich sie hier vor mir sah, besaß nur eine sehr dünne Haut; darunter verbarg sich ein empfindsamer, unsicherer Mensch, der sich nach Geborgenheit sehnte. Warum sonst kam eine so attraktive Frau wie sie mehrmals in der Woche in den Zoo, um den wilden Tieren ihr Leid zu klagen? Auch ihr Redefluss war nichts weiter als eine Abwehrmaßnahme; ohne eigentlich viel von sich preiszugeben, wollte sie jedem überdeutlich zeigen, wie eigenständig – ja, wie erwachsen – sie war.
    Da ich spürte, wie schnell Nataschas Schutzwall zusammenbrechen konnte, vermied ich es bewusst, auf diese Tatsache näher einzugehen. Bei einem ersten Rendezvous boten sich passendere Themen an. Selten zuvor hatte ich mich so bemüht, eine Beziehung derart feinfühlig anzugehen. Wenn ich es auch vom ersten Augenblick an gefühlt hatte, nun wusste ich es: Ich begehrte diese Frau mit jeder Faser meines Körpers. Es machte mich schon glücklich, einfach dort zu sitzen und ihrer Stimme zu lauschen. Allein ihre Gegenwart vermittelte mir ein Hochgefühl, als sei ich ohne Alkohol betrunken. Betrunken? Ich war stockbesoffen.
    Aber ein falsches Wort konnte das sich zögernd bildende Band zwischen uns gewaltsam zerreißen. Ich tat alles, um das zu verhindern. Nur gelegentlich gab ich ein verstehendes »Ehhh … Mhmm …« von mir, ansonsten war ich nichts weiter als ein schweigender Zuhörer, der an ihren Lippen hing. Wie eine ihrer Katzen. Ich achtete kaum mehr auf den Inhalt; ihre weiche, betörende Stimme spielte eine Melodie, die schöner nicht sein konnte.
    Als der Kellner zwei dampfende Reisschalen vor uns abstellte,

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