Batmans Schoenheit
liegt und eben ziemlich weit im Süden, nicht unweit der Wiener Südpolkappe – Rothneusiedl, wahrlich ein fader Flecken.«
»Nun, das begreife ich, auch wenn ich es nicht verstehe«, sagte Red. »Trotzdem wäre es nett, wenn Sie mir eine Adresse geben könnten, die man einem Taxifahrer auch nennen kann.«
»Wieso? Weil Sie zu faul sind, Wien als Welt zu betrachten?«
»Ich habe es nicht so mit der Geometrie.«
Zötl stöhnte.
»Was wollen Sie dafür haben«, fragte Red, »anstatt zu stöhnen, mir die Adresse aufzuschreiben?«
»Ah, jetzt kommt der Deutsche durch. Glaubt, man könnte die Österreicher kaufen.«
»Wenn Sie wollen, Herr Zötl, mache ich Ihnen auch Kniebeugen.«
»Liegestütze!«
»Bitte?«
»Zwanzig Liegestütze. Hier und jetzt und sofort.«
Nun, das mit den Kniebeugen war so dahingesagt gewesen, symbolisch, bildhaft. Doch offensichtlich gedachte Zötl den »Mann aus Deutschland« dadurch zu demütigen, ihn vor Ort zu einer Leibesübung zu verpflichten.
»Sie meinen das doch nicht ernst, oder?« zeigte sich Red verwirrt.
»Ich meine das absolut ernst«, antwortete Zötl.
»Also … ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Ich bin schlank, aber kein Sportler.«
»Der gute Wille zählt«, erklärte Zötl und schien nun um einiges vergnügter als noch zuvor.
Red schüttelte noch einmal ungläubig den Kopf und sah sich sodann um. Es war nicht richtig viel Platz hier zwischen den Stühlen und Tischen und Büchern und Menschen. Er sagte: »Man könnte nach draußen gehen.«
»Wieso denn? Wir wollen uns doch nicht prügeln, oder?« erwiderte Zötl, der Musikprofessor in Olivgrün, übrigens einst ein Trompeter der Weltklasse, aber wie fast alle Trompeter mit einem Hang zur Exzentrik und zur Gehässigkeit. Die Trompete verfügt über ein diabolisches Wesen, auch wenn man ihr himmlische Töne entlockt.
Aber Zötl hatte natürlich recht, nach draußen trat man nur, um sich die Nase blutig zu schlagen und das Blut auf der Straße zu lassen. Liegestütze waren eher Teil der Inneneinrichtung.
Es war jetzt Red, der stöhnte, jedoch mit einem Schulterzucken in die Knie ging, seine Handflächen mit gespreizten Fingern auf den Boden aufsetzte, sich sodann zu einer leicht durchhängenden waagrechten 7 streckte und also begann, jene Übung zu vollziehen, die ein trainierter Mensch mit Leichtigkeit absolviert hätte. Aber Red war eher ein Pflänzchen als ein trainierter Mensch. Nicht zu vergessen, er hatte zwar als Künstler Objekte gebastelt, sich aber niemals an Steinen versucht. Seine dünnen Arme und sein eher im Sitzen geübter Körper waren ungeeignet, zu tun, was Zötl verlangte. Aber Eignung war ja auch nicht das Thema.
»Was soll das?« fragte ein Frau von der Bar her.
Zötl gab ihr ein Zeichen, daß alles seine Ordnung habe. Wahrscheinlich dachten die Leute, es handle sich um eine Wette.
Nach der fünften oder sechsten Stütze – bei drei hatte Red zu zählen aufgehört und Zötl hatte ja gar nicht erst damit begonnen – verließen Red Kräfte, die nie da gewesen waren. Seine 7 verkümmerte zu einer 1, sodann knickte er völlig ein und konnte es gerade noch verhindern, mit dem Kinn aufzuprallen. Statt dessen traf es die Wange. In dieser Position verbleibend, den Mund zu einem schlingernden Oval verzogen, erkundigte er sich: »Zufrieden?«
»Ja, natürlich«, sagte Zötl, wie man sagt: Ist einer mal skalpiert, braucht man ihn nicht auch noch zu köpfen.
Langsam erhob sich Red und setzte sich in einen frei gewordenen Sessel gegenüber von Zötl. Dieser griff nach einem Kugelschreiber und notierte auf das Papier, dort, wo die Koordinaten aufgedruckt waren, einen Straßennamen.
»Und die Hausnummer?«
»Das ist eine kleine Gasse«, sagte Zötl. »Sie werden schon finden, was Sie finden müssen.«
Das klang jetzt sehr danach, als würde Zötl etwas ahnen. Was freilich nichts zu bedeuten brauchte. So redeten alle Leute hier, als wüßten sie etwas, als seien sie Teil einer Verschwörung.
Zötl schob Red den nun endlich mit einem Hinweis versehenen Werbezettel hinüber und machte durch eine eindeutige Geste klar, ab sofort auf seiner Ruhe zu bestehen.
Nun, die wollte ihm Red gerne geben, bezahlte den Espresso und verließ ein Lokal, das ihm trotz all des Charmes, trotz E61 und artgerechter Kleintierzucht als ein Ort erlittener Schmerzen in Erinnerung bleiben würde. So war das nämlich neuerdings: Österreicher erniedrigten Deutsche. Okay, Schmerzen gehörten dazu und schließlich hatte er
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