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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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chinesischer Herkunft war, wie alle dachten, sondern etwas japanisches Blut durch seine Adern floß. Seine Mutter, die spätere Walzerkönigin, verdankte nämlich ihre Geburt der Liebesnacht zwischen einer Chinesin und einem Soldaten der japanischen Invasoren, einer Liebesnacht inmitten der häßlichsten und unmenschlichsten Kampfhandlungen, einer Liebe ohne jede Chance in einer verrückt gewordenen, einer immer schon verrückt gewesenen, aber das Verrückte ins angeblich Notwendige verkehrenden Welt. Eine Nacht bloß, 1938 oder 39, eine Nacht, von der niemand erfahren durfte und auch niemand erfuhr. Irgendein gütiger Gott verhinderte, daß sich bei dem Kind die japanischen Züge des Vaters merklich durchsetzten, es war ganz die Mutter. Wie auch später bei Cheng, dessen Vater übrigens als eindeutiger Han-Chinese gelten durfte.
    Das verborgen Japanische seiner Person lehnte Cheng noch stärker ab als das offenkundig Chinesische. Es war ihm ein Rätsel, wieso die Europäer den Japanern mit derartigem Interesse begegneten. Sich etwa dazu erblödeten, diesen ganzen ungenießbaren Fraß, den die Japaner mit ihrem zeremoniellen Tamtam in etwas Besseres und Wertvolleres zu verwandeln meinten, sich für viel Geld servieren zu lassen. Man bedenke rohen Fisch, man bedenke Sake, man bedenke Seetang, der so schmeckt wie der Strand bei Nizza, und zwar um fünf in der Früh, bevor dort der Reinigungsdienst den ganzen Mist wegräumt. Nein, Cheng hielt es für Schwachsinn, eine brutale, alles und jedem eine Maske aufsetzende Kultur zu verherrlichen, anstatt sie links liegen und auf ihrer dummen kleinen Insel alleine zu lassen.)
    Da nun aber nicht auszuschließen war, daß Reds Wahl eine völlig harmlose, bloß die Schönheit dieses Gartens betreffende sein konnte, wollte sich Cheng seinen Ärger nicht anmerken lassen. Also sagte er zu, in einer Stunde, in diesem … »Wie heißt der noch?«
    »Setagaya.«
    Was nun Cheng – während er im Bus saß, Richtung Hohe Warte – dank seines vernetzten Handys herausfand, war zunächst eine Überraschung: daß nämlich Tokio über genauso viele Bezirke verfügt wie Wien, und zwar 23 (eine bekannt diabolische Zahl), und daß einer davon den Namen »Setagaya« trägt, welcher wiederum ein Schwesterbezirk Döblings ist, woraus die Idee entstanden war, dem von Gemeindebauten unterwanderten Wiener Nobeldistrikt einen Japanischen Garten angedeihen zu lassen. – Nun, es sind schon schlechtere Ideen in Döbling geboren worden.
    In der Tat erwies sich der Setagaya-Park, den Cheng am frühen Abend erreichte, als ein Kleinod. Sehr viel weniger japanisch, als man sich das vielleicht vorstellt, weil man halt immer diese Zengärten im Kopf hat und die viele freie Fläche zum Verbeugen. Nein, diese Döblinger Referenz an die Verwandte in Fernost war weniger puristisch denn üppig. Man brauchte sich hier also nicht als Teil einer Meditation empfinden, sondern konnte wie auch in anderen Wiener Parks einfach ein wenig herumspazieren, um sich dann auf einer Parkbank niederzulassen.
    Die Anlage schien sich in der Hand von Pensionisten zu befinden, die das benachbarte Altersheim bewohnten. Gleich beim Eintritt in das Areal vernahm Cheng die massiv aufbrausende Stimme eines Greises, welcher zwei Touristinnen, die zum Zwecke einer Fotoaufnahme in das fürsorglich gestutzte Gras getreten waren, darauf aufmerksam machte … besser gesagt, er schrie sie wütend an, so wie das in Wien halt Brauch ist. Leider verstanden sie ihn nicht, selbst Cheng tat sich schwer, ihn zu verstehen. Im Geschrei verbog sich der Dialekt zu einer scharfkantigen Schraube, durchaus im Sinn einer Schiffsschraube, freilich einer Schiffsschraube an sich, die also nicht etwa ein Schiff antreibt, sondern nur sich selbst. So war das mit dem Wiener Dialekt, von einem stockschwingenden Rentner gesprochen, der jetzt drohte, die »Kiberei« zu benachrichtigen, ein in diesem Fall überaus passender Begriff für Polizei, vom mittelhochdeutschen kîben stammend, welches schelten bedeutet.
    »Schrei net so umanonder, older Trott l !« sagte Cheng in feinem Schriftdialekt, mitten in Döbling ein »Meidlinger L« gekonnt zur Anwendung bringend.
    Der alte Trotte l wollte etwas entgegnen, verstummte aber angesichts der widersprüchlichen Informationen in seinem Kopf. Ohnehin hatten die beiden Touristinnen wieder den Rasen verlassen, während Cheng bereits dabei war, den schmalen Weg hochzusteigen. Der Rentner bebte ohne Worte. Gut möglich, daß auf der

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