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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dagegen gehörte wenigstens in Ansätzen zu denen, die stark im Gegenwärtigen leben, ohne zu wüten, ohne Unordnung zu schaffen. Sie verändern die Welt nicht, sondern erhalten sie. Chengs Höflichkeit, seine Verläßlichkeit, sein Charme waren aktuell. Er versprach keine Blumen, sondern brachte sie einfach mit. Er versprach nicht, Lena zu begleiten, sondern begleitete sie. Er erzählte nicht davon, einst ein schöner Mann gewesen zu sein, sondern er war ein schöner Mann. Nicht mehr jung, das nicht, aber Jugend war eben Vergangenheit, und damit etwas, von dem man nicht einmal richtig sagen konnte, ob es wirklich stattgefunden hatte. Jedenfalls anders, als einem die Erinnerung suggerierte. Sich in Gedanken an die eigene Jugend zu verlieren, war so, als lobe man einen Duft, den man damals, als man ihn leibhaftig riechen durfte, gar nicht so gut fand. Gerüche dieser Art sind nun aber sicher nicht wie Weine, von denen wenigstens einige mit der Zeit besser werden.
    Chengs unbestimmtes, irgendwie die Fünfzig umkreisendes »Entwicklungsstadium« wurde von einer Grazie dominiert, die zu besitzen man auch ein wenig »lebensmüde« sein mußte. Müdigkeit ist ohnehin sehr viel eher angetan, ein Gesicht hübscher erscheinen zu lassen, als etwa jene blödelhafte Euphorie und Lebensfreude breit grinsender Sportskanonen und Berufsoptimisten. Chengs Antlitz spiegelte diese Müdigkeit in der Art durchscheinender Pinselstriche wieder. Die bereits erwähnten Falten um seine Augen dokumentierten dabei gar nicht so sehr den Verlauf der Jahrzehnte – denn Cheng war ja kein Baum –, als daß sie vielmehr ein Echo der Blütenform dieser Augen darstellten. Gleich Schallwellen, aber Schallwellen als L’art pour l’art.
    Cheng stand in dem kleinen Badezimmer der Lerchenfelder Rubinsteinwohnung, die ihm ja früher als Detektivbüro gedient hatte, bevor er dann ausgezogen war und Ginette und ihre Tochter eingezogen waren. Zu seiner Detektivzeit freilich war es hier lang nicht so geschmackvoll und gemütlich gewesen. Ginette besaß eine gute Hand in Einrichtungsfragen. Ohne ins allzu Modische oder ins allzu Liebliche abzugleiten. Eine Wohnung, die nach Geld riecht, riecht etwa so schlecht wie eine, die nach Schulden riecht. Man sollte das Monetäre bei einer Möblierung nicht spüren, sondern eher meinen, es handle sich um etwas Organisches, Gewachsenes, Landschaftliches, um einen schönen Ausblick.
    Dazu gehört natürlich auch ein Spiegel, in dem man selbst den Ausblick bildet. In einen solchen Spiegel schaute Cheng soeben. Er hatte begonnen, in sein eingeschäumtes Gesicht die Bahnen einer Rasur zu ziehen, wobei er wie üblich mit der größten Sorgfalt vorging. Er setzte präzise Spuren in den Schnee. Jetzt, am frühen Nachmittag, zur besten Rasierzeit, dann, wenn die Dinge zur Ruhe kamen und die Welt in Mittagspausen erschlaffte.
    Nachdem er mit dem Gesicht fertig war, schob er mittels einer Schulterdrehung seinen linken Armstumpf ein wenig hoch und begann dort, wo die kapselförmige Rundung das Ende der fragmentarischen Gliedmaße bildete, Rasierschaum aufzutragen. Er wollte nämlich heute noch zum Schwimmen gehen, die einzige Sportart, die er betrieb, zwar ohne Begeisterung, eher der Vernunft folgend, aber doch frei von jenem Ekel, der ihn sonst bei allem Sportlichen erfüllte. Beim Schwimmen war man wenigstens im Wasser, womit Cheng meinte, daß in einem fremden Medium das Unnatürliche sportlicher Ertüchtigung nicht so ins Gewicht fiel.
    Das Problem war nun, daß genau dort, wo vor so vielen Jahren Chengs Arm abgetrennt worden war und seither eine Kuppe den Abschluß bildete, ein ungewöhnlich starker Haarwuchs eingesetzt hatte. Cheng nannte es seinen »Bart«, da sich nämlich – durchaus in Einklang mit seiner Abstammung – in seinem Gesicht stets eine nur schwache Behaarung ergab, während hingegen auf besagter Stelle seines Armtorsos die dunklen Haare dicht und eng und eben bartartig sprossen. Zu welchem Zweck auch immer. Denn ersichtlich war dies nicht und selbst Chengs Hausarzt konnte sich nur zu der Äußerung durchringen, daß diese Haare ja nicht eigentlich stören würden. Er sagte: »Einen Atavismus würde ich es nicht nennen.«
    Entscheidend war sicher, daß es Ginette lieber war, ein bartloses Gesicht denn einen bartlosen Armstumpf neben sich zu wissen. Somit machte sich Cheng um das Phänomen keine größeren Gedanken. Ging er aber ins Schwimmbad, zweimal die Woche, dann rasierte er den Stumpf. Die

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