Batmans Schoenheit
anderen Seite der Erdkugel, dort, wo Tokio lag, jemand dieses Beben spürte, aber natürlich nicht auf die Idee kam …
Im ansonst menschenleeren Nordwesten des Gartens fand Cheng den Mann, der sich Red nannte, auf einer Bank sitzend, tief im Schatten dieses noch immer heißen, aber bereits nach Gewitter riechenden Abends.
»Schön, daß Sie gekommen sind«, sagte Red, stand auf und reichte Cheng die Hand.
Die beiden Männer setzten sich.
»Ich hatte eigentlich den Eindruck«, äußerte Cheng, »daß Ihnen die Sache unangenehm ist. Ich meine, so als Held dazustehen. Umso schöner, wieder von Ihnen zu hören.«
»Sie haben mir Ihre Hilfe angeboten«, erinnerte Red.
»Und Sie haben mich darauf hingewiesen, daß bei mir was fehlt. Und das stimmt ja auch. Aber es hörte sich an, als wollten Sie keine Hilfe von einem Einarmigen.«
»So war das nicht gemeint.«
»Okay«, sagte Cheng, holte eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und hielt sie Red hin.
Red nahm eine heraus, gab Cheng und sich Feuer und fragte sodann, ob er, Cheng, den Stein am Eingang bemerkt habe, beziehungsweise die darauf eingemeißelten japanischen Zeichen, die das Wort »Furomon« ergeben würden.
»Nein. Und was heißt das?« fragte Cheng. »Oder denken Sie, ich würde Japanisch sprechen, nur weil ich keine geraden Augen habe.«
»Natürlich nicht, Sie sind ja ein waschechter Wiener, soweit ich gehört habe.«
Cheng warf Red einen gespitzten Blick zu und meinte: »Na, da haben Sie richtig gehört. Also? Was bedeutet das Wort auf dem Stein?«
»Paradies.«
»Ach ja. Gut, ein bißchen was Paradiesisches hat es ja auch. Zumindest hier oben sind keine Leute.«
»Stimmt«, meinte Red, »man muß sich die Menschen wegdenken, dann hat man das Paradies.«
»Und was ist mit uns?« erinnerte Cheng.
»Nun, irgendwer muß schon bleiben, um das Fehlen der Menschen festzustellen.«
»Und darum haben Sie mich gerufen?« fragte Cheng. »Damit wir zu zweit das Paradies bewachen?«
»Natürlich nicht. Es geht um etwas anderes. Ich möchte wissen, ob Sie einen bestimmten Mann kennen, Palle Swedenborg. Er lebt in Hamburg, ein wichtiger Mann.«
»Warum sollte ich den kennen?« fragte Cheng.
»Es hat mir Ihren Büchern zu tun.«
»Mit meinen Büchern? Wie meinen Sie das?«
»Nun ja, die Romane, die von Ihnen handeln.«
»Dafür kann ich nichts. Glauben Sie mir, mir ist das wirklich peinlich. Ich habe diesbezüglich schon viele Leute enttäuschen müssen. Ich bin das lebende Beispiel, wie wenig Literatur und Wirklichkeit miteinander zu tun haben.«
»Das heißt, Sie kennen keinen Palle Swedenborg.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich will nur nichts von diesen Büchern hören.«
»Weil sie so schlecht geschrieben sind?«
»Mein Leben ist meine Sache«, erklärte Cheng. »Ich brauche niemanden, der mich interpretiert, da kann er von mir aus ein Genie sein. Genie oder Dilettant, das ist mir in diesem Fall einerlei. Wenn mich jemand verarscht, nützt es mir wenig, daß er das mit einer tollen Sprache tut. – Aber wenn Sie mich nach Palle Swedenborg fragen, den kenne ich. Leider. Ein Ungeheuer, ein wahrhaftiges.«
»Er gilt als erstrangige Wirtschaftsgröße und Förderer von allem Schönen und Guten.«
Cheng blickte Red erneut von der Seite her und mit einer okularen Schärfe an und sagte: »Sie wissen doch sicher, was für ein Mann er ist und was er so tut. Er kann richtig böse sein, nicht wahr?«
»Ja, das kann er«, sprach Red und nickte auf die Art in ihrem Essen stochernder Kinder. Dann meinte er: »Sie waren also Jugendfreunde.«
»Das kann man nun wirklich nicht behaupten.«
»Und was kann man behaupten?« fragte Red.
Cheng schenkte dem Überbleibsel seines linken Arms einen kurzen Blick, wie man vielleicht seinen Hund ansieht, fragend, ohne sich natürlich eine Antwort zu erwarten. Cheng hatte einmal einen Hund gehabt, Lauscher. Lauscher wäre lieber gestorben, als Antworten zu geben. Lauscher war so wenig ein Zirkushund gewesen wie dieser Armstumpf ein Zirkusstumpf.
Also hob Cheng seinen Kopf wieder an und wandte sich an Red: »Warum interessiert Sie das, die Sache mit Swedenborg?«
»Erzählen Sie mir einfach, was damals geschehen ist«, bat Red, »hernach wird es mir vielleicht leichter fallen, Ihnen zu sagen, worum es eigentlich geht.«
»Sie wollen das wirklich hören?«
»Das will ich«, sagte Red.
»Kennen Sie Madeira?« fragte Cheng.
»Meinen Sie die Insel?«
»Genau die meine ich.«
»Nie dort gewesen«, erklärte
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