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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Unmöglich, mal einfach so nebenbei ein guter Mensch werden und sich dann vor dem lieben Gott verstecken, wie andere vor der Polizei. Ich habe nichts getan, ehrlich! Blödsinn! Das Gute ist unteilbar.
    Nachdem er eine Zigarette geraucht und zwei Gläser Wein getrunken hatte, holte Cheng einen Kübel mit Wasser sowie einen Lappen und begab sich hinunter in den Garten, wo er Salty Dog zu reinigen begann. Das Tier ließ es sich gefallen, grunzte leise und blickte Cheng aus Augen an, die weder flehend noch devot noch ängstlich noch dankbar waren, sondern … Nun, diese Augen machten Cheng ein wenig Angst. Er hatte ja noch nie einem Schwein so direkt ins Antlitz geschaut, genau genommen noch nie einem Tier, seinen Eltern ja, aber nicht so richtig, seiner ersten Liebe klar, ohne sich aber auch nur an die Augenfarbe des Mädchens erinnern zu können. – Es muß vielleicht gesagt werden, daß der eigentümliche Schrecken, der Cheng widerfuhr, darin bestand, in diesem Moment, nachdem er bereits zwanzig Jahre auf der Erde weilte, zum ersten Mal jemand anders in vollstem Bewußtsein in die Augen zu sehen. Beziehungsweise sich in einem ebensolchen Bewußtsein des Angeschautwerdens zu befinden.
    »Mist!« sagte Cheng, ganz in der Manier, mit der man einen Siegelring in weiches, rotes Wachs drückt und sich auf ewig verpflichtet. Dann leerte er etwas von dem Wasser in eine mitgebrachte Schale und tat einige Salatblätter und Müsliflocken dazu, die er in der Küche aufgestöbert hatte. Zudem versuchte er, einen Brühwürfel in dem kalten Wasser aufzulösen. – Was genau essen Schweine? Wahrscheinlich alles, dachte er, so wie die Menschen. Bekanntermaßen sind die Schweine den Menschen extrem ähnlich, bis hin zu einer verwandten Art des Krankwerdens. Daß Menschen ausgerechnet Schweine in gigantischen Mengen verzehren, hat schon etwas Perverses. Allein, wenn man die Intelligenz der Schweine bedenkt. Nicht, daß es humaner wäre, bloß die blöden Tiere umzubringen, aber jemand züchten, töten und verspeisen, mit dem man quasi verschwägert ist, dies wird in anderen Zusammenhängen gerne als Ausdruck einer niedrigen Entwicklungsstufe angesehen.
    »Was soll das?« fragte Sehnaz, das Gesicht verziehend, nachdem Cheng wieder auf die Terrasse gekommen war.
    »Ich habe das Tier gekauft«, erklärte Cheng mit einer Gelassenheit, die halb noch gestellt, halb schon selbstverständlicher Teil seines Wesens war, und setzte sich.
    »Ach ja!? Ist ja interessant. Und wozu?«
    »Das wird sich zeigen«, antwortete Cheng und lächelte. Die anderen dachten freilich, daß das jetzt irgendeine Art von Trick sei. Der Versuch, sich interessant zu machen. Mittels Schweinekauf wenigstens den Anstrich einer Exzentrik zu vermitteln. Was doch niemals gelingen könne, oder? Sehnaz sagte nur: »Komm nicht auf die Idee, das verdammte Vieh hochzuholen. Klar!?«
    Cheng schwieg. Er fühlte sich verwandelt. Als ginge eine Macht von dem aus, was er getan hatte. Eine Macht, die er noch nicht richtig begriff, und die anderen schon gar nicht. Aber die Macht war da, gleich einem Bakterium, das nicht weniger real ist, nur, weil es noch eingeschlossen etwa in einem Eisberg steckt und die Leute bloß den großen Eisberg, nicht aber das kleine Bakterium darin sehen.
    Am Abend, der auf diesen Nachmittag folgte, begab sich die Gruppe hinunter in die Stadt, spazierte durch die engen Gassen, die jenes südliche Flair besaßen, in dem sich das Pittoreske und Kränkliche vereinen, das Immerblühende mit dem ständig Verwesenden. Überhaupt diese gewisse Hinfälligkeit von allem, was nahe am Wasser steht, nicht nur des Salzes wegen. Architektur am Wasser hat immer etwas Bedrohtes. Etwas im wahrsten Sinne des Wortes dem Untergang Geweihtes.
    Nachdem die sechs Urlauber sich das von Niemeyer im Stil eines Raketentriebwerks erbaute Casino angesehen hatten, begaben sie sich zum Hafen, um in einem der Restaurants zu Abend zu essen. Doch erst am östlichen Ende der Promenade, bevor diese in das Fort São Tiago mündet, fanden sie ein Lokal, das ihnen weniger touristisch und mehr einladend erschien. Wo kein schmalziger Kellner gestenreich auf die Gedecke wies und Sehnaz und Eva mit den Augen auszog. Nein, hier am Ende befand man sich gewissermaßen außerhalb der Touristen-Bescheißungszone. Ein paar Tische standen auf der Straße, während das eigentliche Lokal in einem Gemäuer untergebracht war, das die Straße gegen das Meer hin abgrenzte. Man konnte das Meer an dieser Stelle nur

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