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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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oder jemand zu töten, wieso sie immer eine Qual vor das Töten setzen müssen, im Grunde ein Ornament, das fürchterlichste, das sich denken läßt, aber ein Ornament. Man könnte natürlich sagen, solches Handeln entspringe reiner Dummheit und Nachläßigkeit. Aber das glaubte Cheng nicht und würde es im Laufe seines Lebens, erst recht seines Lebens als Detektiv, immer weniger glauben.
    Es handelte sich bei dem Tier übrigens um keins von der dunkelhäutigen Iberischen Rasse, sondern es besaß die vertraute helle, rosafarbene Haut eines üblichen Hausschweins. Wobei selbiges Rosa natürlich weder porzellanen noch marzipanartig glänzte, sondern zwischen einem Graustich und dem Rötlichen einer Verbrennung changierte.
    »Sotidog.«
    Cheng blickte auf. Er hatte den Mann nicht kommen hören. Wenn es denn wirklich ein Mann war und nicht bloß eine Erscheinung. Jedenfalls lächelte er Cheng mit einem offenen Mund an, in dem noch zwei, drei Zähne steckten, derart schief und gelb, als stammten sie aus der Zeit der Phönizier. Seine Augen leuchteten aus dem Dunkel einer erdigen, faltigen Haut. Der ganze Mensch sah aus, als sei er einem Erdloch entstiegen. Sein Gewand war schäbig und verdreckt, aber an einem seiner von Erosion gezeichneten Fingern steckte ein gewaltiger, goldener Ring.
    Cheng richtete sich auf. Vermutlich hatte er es mit dem Besitzer dieses Gärtchens und dieses Schweines zu tun, der aber nicht der Vermieter des Hauses war, in dem Cheng und seine Freunde wohnten. Cheng stand also auf einem fremden Grundstück. Was den Mann jedoch keineswegs störte, eher wirkte er stolz, zeigte auf das Schwein und sagte erneut: »Sotidog.«
    Cheng verstand nicht und wußte auch nicht, wie er sich seinerseits verständlich machen sollte. Beziehungsweise wußte er gar nicht, was er eigentlich sagen wollte. Denn ihm war ja klar, daß es sinnlos gewesen wäre, diesem Mann damit zu kommen, daß man ein Lebewesen nicht auf diese schändliche Weise halten durfte.
    Er hätte sich umdrehen und gehen müssen. Und wollte es ja auch. Überall auf der Welt litten Tiere und litten nicht minder Kinder und andere Unschuldige. Er war hier auf Urlaub und nicht etwa als Retter der Schweine. Und doch – etwas hielt Cheng fest. Man könnte sagen, die Zukunft hielt ihn fest. Eine Zukunft, zu deren Plan es nun mal gehörte, dieses von einem Mann gequälte kleine Schwein von einem anderen Mann retten zu lassen.
    »Warten Sie hier auf mich«, ersuchte Cheng und illustrierte mit aufwendigem Gestus das Gesagte.
    Der Mann schien zu verstehen, nickte, lachte dreizähnig.
    Cheng ging nach oben, holte seine Geldbörse, ignorierte die Nachfragen der anderen und kehrte zurück zu dem Besitzer des Tiers, dem er nun zwei Geldscheine entgegenstreckte und mit der anderen Hand auf den Verschlag deutete.
    Der Mann zeigte sich in keiner Weise verwundert, nahm das Geld, faltete die Scheine sorgfältig und klemmte sie sich überraschenderweise zwischen Brust und Unterhemd, ganz in der Art dieser Damen auf Tischen. Dann löste er den Knoten, mit dem die kleine Stalltüre versperrt war, öffnete den Verschlag und zog das Schwein heraus. Das Tier verharrte einen Moment, unsicher auf seinen entzündeten Beinen stehend. Dann tat es einige vorsichtige Schritte und bewegte sich in den Teil des Gartens, der hinter Cheng lag und machte sich mit einer Welt bekannt, die so ungemein nahe gelegen und dennoch bis zu diesem Moment unerreichbar gewesen war.
    »Sotidog«, lachte der Phönizier, aber diesmal klang es stärker nach »Salty Dog«.
    Er drehte sich um und ging, trat zwischen das hohe Gestrüpp, das im warmen Wind wie Feuer knisterte. Dann war er verschwunden und nie wieder gesehen.
    »Mein Gott«, dachte Cheng. »Ein Schwein, das Salty Dog heißt. Ich muß verrückt sein.«
    Natürlich hatte er den berühmten Song von Procol Harum im Kopf und wußte, daß mit Salty Dog ein alter Seebär gemeint war. Was nun für dieses Schwein mehr als unpassend schien (allerdings konnte Cheng nicht ahnen, daß man diesen Begriff auch verwenden konnte, um einen »guten Liebhaber« zu bezeichnen).
    »Mein Gott!« Diesmal sagte er es laut. »Was mache ich jetzt mit dem Tier?«
    Nun, er ließ das Tier einfach stehen und ging nach oben. Er hätte die ganze Sache gerne vergessen. Aber, Herr im Himmel, man kann eine Kreatur namens Salty Dog nicht einfach retten und dann zur Tagesordnung übergehen. Man kann überhaupt niemanden retten und meinen, nachher bleibe alles beim Alten.

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