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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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nicht
selten hatte sie das Schicksal der Biberratten von der Zeugung bis zur
Schlachtung für Pelzgewinn und Wurst mitbekommen, und beim Menschen war es
nicht so anders. Dominika war bei dem Lebenskeim steckengeblieben, von dem sie
in einem ihr verstohlen von Jadzia zugesteckten Büchlein gelesen hatte, das
Bilder von Herren und Damen mit glatten Puppenkörpern enthielt. Er war
brünett, sie blond, und sie standen steif nebeneinander, ohne sich auch nur mit
den Händen zu berühren, deshalb konnte man sich nicht so recht vorstellen, wie
Es in den Bauch der Mama kam, um den Keim für ein neues Leben zu bilden, das
dann kopfunter in einer rötlichen Birne hockte wie ein Irrer in der Gummizelle.
Da stand nichts von Reinstecken. Iwona erklärte Dominika, dass es bei dem, was
die Paare auf der Terrasse des Babel machten, nicht um den Keim für ein neues
Leben ging, erst recht nicht bei der Lepka und dem glatzköpfigen Privathändler
Wojciech Kolodziej, der vor dem Babel einen Stand mit Gebäck betrieb. Nur auf
die Frage, wie denn ein Keim für zwei neue Leben gleichzeitig gebildet wird,
wie bei ihr und der Zwillingsschwester Paulina, konnte Iwona keine Antwort geben,
obwohl sie wusste, dass so etwas bei Biberratten normal ist. Sie sahen, wie
der schnauzbärtige Privathändler der Lepka den Rock hochhob und an seiner Hose
herumfummelte. Sein Glied sah anders aus als im Buch und ähnelte einer
Biberrattenwurst. Hat er Eros? Sie lachten lautlos, als er ein silbriges
quadratisches Päckchen aus der Tasche zog. Jeder wusste, dass die alten Weiber,
die in den Kiosken sitzen, mit der Nadel Löcher in die Kondome stechen. Iwona
hatte keinen Zweifel daran, dass es stimmte. Dominika beugte sich weiter vor
und zog den Kopf zurück, als die Lepka, die hinterher voll Schuldgefühl ihrem
Liebsten bei Gott und allen Heiligen schwören würde, sie habe die Fratze des
Teufels gesehen, den Kopf zurücklegte und nach oben schaute.

Iwona bemerkte
Stefan Chmura zuerst und stieß Dominika an, die, gelangweilt von dem Mangel an
Geschehen auf der Terrasse, gar nichts tat, den Bauch in die Sonne hielt und
Brausepulver mit Himbeergeschmack leckte. Sie schüttete das rosa Pulver in die
gewölbte Hand und steckte die Zunge hinein, auf der dann tausend Bläschen
zerplatzten. Das war, wie Jadzia ihr versichert hatte, sehr unhygienisch und
ungesund. Guck mal, dein Alter. Dominika drehte sich auf den Bauch und blickte
in Richtung Selbstmörderecke. Ihr Vater stand da, die Hände auf das Geländer
gestützt. Mein Alter? Ihr Vater war groß, hatte mächtige Arme. Er hatte sie auf
die Schultern genommen und gerufen: Ich bin das Schaukelpferd, das zu fliegen
begehrt! Der Mann, der seine braunen Hosen und sein lilagelb kariertes Hemd
trug, wirkte höchstens mittelgroß, gebückt und mager, nie und nimmer hätte er
sie hochheben können. Er hätte nie diese tubatiefe Stimme zuwege gebracht und
gerufen: Ich bin das Schaukelpferd, das zu fliegen begehrt!, bis die Nachbarn
über ihnen ans Heizungsrohr klopften, um ihn zum Schweigen zu bringen und
Jadzia sich ans Herz fasste: Junge, bist du verrückt geworden, du zerschlägst
dem Kind gleich den Kopf! Stefan stand eine Zeitlang dort, ohne die
zusammengeballten Hände vom Geländer zu nehmen, der Wind zauste seine mühsam
über die kahlen Stellen gekämmten Haare. Mein Vater hat doch keine Glatze!
dachte Dominika. Sie rief nicht: Papa, wo ist das Schaukelpferd hin?, noch
fragte sie: Was machst du auf der Terrasse? Als sie am Abend die Tür zum
Esszimmer aufmachte, um sich mit einer Eins in der Mathematikarbeit zu brüsten,
sah Stefan gerade zu, wie wieder eine tellergroße Tarantel aus dem Fernseher
gekrochen kam und sich hinter den Sessel zwängte. Er begriff nicht, was dieses
Mädchen von ihm wollte, das von grellem Licht umstrahlt dort stand.
    In den nächsten
Monaten hatten sie nicht viel Gelegenheit zu Gesprächen, und als sie Stefan
mal wieder und diesmal endgültig abserviert hatten, blieben ihm nur noch die
Gedanken an seinen Lottoschein, den er in die letzte Nummer der Zeitschrift Motor gesteckt hatte, und das Wissen, dass
Jadzia ihn dort nie und nimmer finden würde. Den Faschingsdonnerstag feierte
er mit Kowalik und ein paar Kumpeln, mit Wacek Wrona und Lepki, in Abwesenheit
von Frau Kowalik. Es gab Wodka, der runterging wie nichts, und es gab Krapfen
mit Marmelade und Zuckerguss, die nicht so beliebt waren. Jeder hatte ein paar
mitgebracht, sie lagen in aufgerissenen Tüten auf dem Tisch,

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