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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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eine
schmalzstinkende Pyramide, die Stefan das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ,
obwohl er schon sechs gegessen hatte. Man wird sich nie einig sein, wer zuerst
auf die Idee kam, Stefan, der von allen der Betrunkenste war, auf die Krapfen
loszulassen, denn schon lange galt es als prächtiger Spaß, Stefan Chmura auf
etwas loszulassen, das wusste jeder, nur er nicht. Die ganze Feier über wollte
Stefan die Gesellschaft mit einem neuen Witz über die Frau mit der Harfe im
Arsch erfreuen, aber er verlor den Faden, sein quiekiger Diskant verstummte,
bevor die Frau noch zum Arzt gegangen war, von der Pointe mal ganz zu
schweigen, zu der es nicht mehr kommen würde. Niemand hörte ihm zu, denn sie
interessierten sich mehr für Kowaliks Geschichte von einem in der Armee, der
nach dem Verzehr von Bohnen so furzen konnte, dass es richtig brannte, wenn man
ein Streichholz dranhielt, und man die Feuerwehr holen musste, und der Gestank
war schrecklich. Nach Bohnen ebenso wie nach hartgekochten Eiern in
Meerrettichsauce und wahrscheinlich auch nach Zwiebelfleisch. Sie konnten sich
nicht einigen, nach was sich das meiste Gas bildet, deshalb gingen sie dazu
über zu besprechen, wer von ihnen von besagtem Zwiebelfleisch oder russischen
Piroggen mit viel Schmalz und Grieben am meisten essen könnte. Für Wacek waren
dreißig kein Problem, Lepki redete gar von fünfundvierzig, und sieben oder acht
Frikadellen schaffte jeder, nur zu trocken dürften sie nicht sein. Und wie
viel Krapfen könnte Stefan essen? Sie wetten, dass er beim dritten, spätestens
beim vierten passen muss, und zwar mit Kotzen. Er ist der Herausforderung
nicht gewachsen. Die Krapfen kommen ihm zu den Ohren raus, er stopft sie sich
rein und kriegt sie nicht runter. Was für ein Waschlappen und Weichling ist
dieser Stefan, nur saufen kann er, der Blödmann! Na, was ist, Stefek! Los, mach
schon! Stefan sah die Chance vor sich, noch einmal zu zeigen, was der
Oberbergmann Chmura für ein Kerl war. In seinem vom Alkohol umnebelten Geist
stieg kribbelnd die Erinnerung an seine Kraft auf, als er übers Leder in den
Bergmannsstand gesprungen war, und der Bandwurm hob den Kopf und biss ihn von
innen. Der erste und der zweite Krapfen rutschten auf leichten Druck vom
dritten, Los! brüllten die Jungs, also ging der vierte Krapfen gleich
hinterdrein und blieb stecken, wo der fünfte auf ihn niedersank, und — Los! -
der sechste ohne Kauen. Als er am siebten würgte, fühlte Stefan, dass etwas
nicht stimmte, denn er kriegte keine Luft mehr. Bevor die Kumpel begriffen, das
Stefans hervortretende Augen, sein rotes Gesicht und die rudernden Arme, die
die Gläser vom Tisch fegten, keiner der Scherze war, die er so liebte, war es
zu spät. Stefan röchelte noch einmal, spuckte ein Stück Krapfen aus, blutete
aus der Nase, pinkelte sich voll, kippte um und schlug mit dem Kopf gegen die
Schrankwand. Er fühlte, dass er von der Erde aufstieg und wirbelte wie in dem
von Jadzia so gefürchteten Kettenkarussell auf dem Jahrmarkt vor dem Babel.
Lass es, Junge, sagte sie immer, mit deinem Pech wirst du rausgeschleudert und
den Russkis direkt in die Arme fliegen. Und dich zurück nach Walbrzych zu
holen, das können wir nicht bezahlen. Reptilien und Taranteln wirbelten,
Osterkuchen und Komodowarane, Wacholderwürste und Männerhände, von denen Stefan
wusste, dass sie jemandem gehörten, der ihm jetzt jeden Augenblick einfallen
würde. In dem Moment, in dem sein Stiefvater seine Mutter erblickt hatte,
erschien Stefan Edward Gierek, dem er so überstürzt Hilfe versprochen und auch
geleistet hatte, und das hatte er jetzt davon, Dominikas Bild war auch ganz
nah, aber es nahm keine Gestalt an, nur sein goldenes Nachbild erstrahlte einen
Augenblick lang in Stefans Sinn, um dann nach dem Bruchteil eines Augenblicks
zu verschwinden, es zersprang wie eine Kristallschale aus Kowaliks
Schrankwand. Stefan Chmura, Sohn der Haiina, de domo Czeladz und des russischen
Akrobaten Wowka starb mit offenen Augen, die die Farbe von Graupen hatten und
in deren Iris sich der Kohlenstaub unauslöschlich eingefressen hatte.
    Jadzia musste
ihrer neuen Rolle als Witwe mit einer heranwachsenden Tochter ins Auge sehen,
und da sie nicht wusste, womit sie anfangen sollte, machte sie sich ans
Aufräumen. Sie ließ den Blick über die Wohnung gleiten, ihr Nestchen, das
einst Stefans Stolz gewesen war, und was sie sah, waren eindeutige Zeichen von
Fäulnis und Zerfall. Bakterien wie russische Panzer! Verendete Spinnen -

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