Bator, Joanna
wenigen
Monaten eine Fehlgeburt, die dunkelblutend unter dem Rock aus ihr hervorbrach,
oder sie gebar im siebten Monat ein Kind, so weiß und zerbrechlich wie
Osterlämmchen aus Zucker, und die Hebamme ließ sofort den Pfarrer rufen, denn
wenn ein Kind ungetauft starb, dann konnte kein Pfarrer der Welt es mehr am Ohr
aus der Hölle ziehen. Jadwigas Frühchen spuckten ein paar Wochen lang grün
geronnene Milch und starben eins nach dem anderen, sie begrub sie auf dem
Dorffriedhof, wohin es gar nicht weit war, zuerst an der Pekznica entlang, die
die Räder ihrer Mühle in Gang hielt, und dann über die Bahngleise. Wenn sie
wieder hinter einem Särglein stand, das nicht größer war als ein Schuhkarton,
fühlte sie, wie in ihr schon das nächste neue Leben keimte, und sie dachte
daran, dass sie sich bald wieder mit schmerzendem Bauch und leeren Händen
würde durch die Kletten schlagen müssen, um
den Weg von der Mühle auf den Friedhof zu machen. Erst beim sechsten Mal, es
war im März, zu der Zeit, wenn das Eis bricht und die Kartoffeln im Keller
keimen, brachte Jadwiga eine Tochter zur Welt, die so ausgetragen, dick und
lebensfähig war, dass man schon munkelte, es sei nicht von Strak, mit dem es so
viele Male nicht geklappt hatte, sondern von dem jungen Tagelöhner, der danach
spurlos verschwand und mit dem jemand Jadwiga angeblich im Herbst im Wald
gesehen hatte. Und was kann die Müllerin im Wald schon mit dem Müllerburschen
machen? Jadwiga wunderte sich nicht über die strahlende Anmut ihrer Tochter
und bekannte, dem Herrgott habe einfach der von ihr vorgeschlagene Handel —
ein wohlgeratenes Kind gegen eine Decke auf dem Altar in der Kirche von Zalesie
- besser gefallen als diejenigen, die sie ihm früher angetragen hatte. Sobald
sie aus dem Wochenbett war, bestellte sie beim Juden Aronek, der Ware aus
Skierniewice brachte, drei mal zwei Ellen vom weißesten und zartesten Leinen
sowie Stickgarn in fünfzehn verschiedenen Farben und machte sich an die Arbeit.
Was auch immer sie tat, das Kind hatte sie bei sich. Am liebsten hätte sie es
überhaupt nie vom Arm genommen und sie stillte es unentwegt an der Brust, aus
der süße Milch floss, sämig wie die Kreme in den Eclairs. Jadwiga stickte, und
dem Säugling an ihrer Brust schmeckte die Milch in allen Farben: blau für
Vergissmeinnicht, Himmel und Wasser, grün für Gras und Blätter, rot für
Rosen, Herzen, Lippen und Blut. Dieses schöne, runde Kind erinnerte in nichts
an die vorherigen schwächlichen und unfertigen Säuglinge, aber das musste es
auch nicht, denn Jadwiga würde sie nicht vergessen. Mitten auf das Altartuch
stickte sie ihre fünf toten Kinder, dem Alter nach Bronek, Marysia, Kazia,
Henio und Krysia, als einen Kreis von Engeln, die sich an den Händen halten,
rings um das heiligste Herz Jesu, das in zwei aufeinander abgestimmten
Rottönen Blutstropfen vergießt. Als das Tuch nach zwanzig Jahren Sticken fast
fertig war und so schön, dass sich die Frauen aus Brzezina Wunder darüber
erzählten, verbrannte es im dritten Kriegsjahr, als die Deutschen, die schon
den Müller, die Müllerburschen und einen zwischen Kornsäcken versteckten
Partisanen der Heimatarmee ermordet hatten, die Mühle und das Haus der Straks
in Brand steckten. Jadwiga sah die berstenden Scheiben, die lodernden
Geranien, sie sah Bronek, Marysia, Kazia, Henio und Krysia und das Feuer, das
zuerst die warmen Farben verschlang und dann die kalten, und sie sah den
brennenden Hund, der heulte und an der Kette riss. Als sie dann nackt am Rand
der im Wald ausgehobenen Grube stand, die gelb war wie ein Osterpinzen, dachte
sie an das Altartuch, auf dem in einer einzigen Ecke noch eine Girlande aus
lila Stiefmütterchen fehlte, und fragte sich, ob sie sich wohl nun in den Augen
Gottes aus ihrem Gelübde gestohlen hatte, obwohl es gar nicht ihre Schuld war,
dass sie jetzt trotz bester Absichten und einem ausreichenden Vorrat an
Stickgarn nicht fertig werden würde.
Nach dem Tod
ihrer Eltern war Zofia ganz allein auf der Welt, eine der vielen
Kriegsstrohwitwen in Zalesie. Ihre Ehe mit Maciek Maslak, mit dem sie nur einen
regnerischen und von Mücken wimmelnden Sommer verbrachte, hatte im Zeichen
von Nässe und Katastrophen gestanden. Erst herrschte eine Hitze, dass die
Leute starben wie die Fliegen, es stank nach flüssigem Teer, und allenthalben
brachen Feuer aus, während über Zalesie ein schwerer Himmel hing, mit Wasser
vollgesogen wie ein Schwamm. Auch die Ältesten im Dorf hatten so
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