Bator, Joanna
etwas noch
nicht erlebt, die alte Cudzakowa schaute empor, spuckte über ihre linke
Schulter und sagte, es sei an der Zeit, die brennenden Sterbekerzen in die
Fenster zu stellen und zu beten, einen anderen Rat gäbe es nicht mehr. Dann
trat die Pelcznica über die Ufer, ihr trübes rötliches Wasser überschwemmte
die Felder, ersäufte das Vieh und unterspülte die Keller, es hatte den
Anschein, als sei der Fluss von Sinnen und habe, einmal entfesselt, nicht die
Absicht, in sein Bett zurückzukehren. Nach der Überschwemmung kam die
Schneckenplage, die Schnecken überzogen die Apfelbäume, saugten sich an den
Eutern der Kühe fest, fielen in die Brunnen und ertranken in der sauren Milch.
Es gab schuppenbedeckte Schnecken, die groß wurden wie Ratten und denen sogar
Hühner und Kaninchen zum Opfer fielen. Alle bewährten Methoden versagten, die
Schnecken wurden immer gefräßiger, die Mütter hatten schon Angst, kleinere
Kinder aus dem Haus zu lassen. Das ganze Dorf ging mit Stöcken bewaffnet, um
die an den Beinen hoch kriechenden Biester wegstoßen zu können. Die Alten sagten
zu Recht, dass eine solche Plage das Vorzeichen von Schlimmem war, doch dafür
brauchte man keinen Propheten, und kaum war nach der Überschwemmung und den
Schnecken alles halbwegs getrocknet, kam der Krieg. Zofia sah Macieks
rotwangiges Gesicht mit der Kartoffelnase und der Pockennarbe auf dem Kinn
hinter dem Zugfenster entschwinden, und sie, seine Frau, blieb zurück, wie die
anderen Mütter, Schwestern und Frauen. Bevor Maciek wegfuhr, riet er ihr, seine
Miststiefel auf die Schwelle zu stellen, dort sollten sie stehen und Fremden
sagen, dass ein Mann in der Hütte war. Er würde zurückkommen, die Stiefel
würden auf ihn warten, sagte er mehrere Male, als sollte es von einem Paar
alter Gummistiefel und ihrer leeren Öffnung für seine Füße abhängen, ob er nach
Hause kam. Zofia blieb allein in dem alten Holzhaus am Rand des Dorfes, das sie
zusammen mit dem Stück Land von Macieks kinderlosem Onkel geerbt hatten und wo
Maciek selbst nur den neuen, weißgekalkten Brotbackofen hatte bauen können,
denn das hatte er seinem Schwiegervater, dem Müller, und der merkwürdigen, wirr
redenden Schwiegermutter versprochen. Aus eigenem Antrieb hatte er noch
Kaninchenkäfige gezimmert, denn zur Hochzeit hatten sie zwei Pärchen geschenkt
bekommen, und er hatte sich über den ersten Wurf gefreut. Alle Augenblicke
ging er in die Hocke, um die fünfzehn grauen Bällchen zu betrachten. Wenn er
doch hier bei Zofia bleiben und zugucken könnte, wie die Kaninchen wuchsen!
Das war Maciek Maslaks einziger Wunsch. Zofia stellte Macieks Stiefel auf die
Schwelle, wie er gebeten hatte, und dort sollten sie jahrelang stehen, im Regen
modernd und im Frost gefrierend, bis im linken ein ansehnlicher Birkenpilz
spross und sich im rechten Mäuse einnisteten. Sie bekam von ihm zwei in
Großbuchstaben auf liniertes Papier geschriebene Briefe, in denen er ihr
mitteilte, dass er Sehnsucht hatte und ihre Vergissmeinnichtaugen küsse, und
er habe sich überlegt, wenn er zurückkomme, würde er noch Kaninchen dazukaufen
und eine richtige Zucht anfangen. Dann würde Zofia Felle für einen Kragen oder
sogar für einen ganzen Pelz haben, ganz wie sie wollte. Danach fuhr der
Briefträger auf seinem quietschenden Fahrrad an ihrem Gartentor vorbei und
rief nie wieder: Frau Zofia, ein Brief!
Nach zwei
Jahren Krieg, in denen Zofia Kaninchen pökelte, von deren sanftem dummem Blick
sie beim Erschlagen das Gesicht abwenden musste, Beeren sammelte und Pilze
trocknete, vergaß sie allmählich Macieks Gesicht, denn sie hatte zu wenig Zeit
gehabt, um ihn liebzugewinnen oder sich an ihn zu gewöhnen. Sie hatte ihn geheiratet,
weil er ihr als der Liebste von den Kandidaten erschien, die seit ihrem
sechzehnten Geburtstag in der Mühle ihre Besuche abstatteten. Sie kamen in
ihren besten Anzügen, in Begleitung von Vätern oder Onkeln und so glattrasiert,
dass sie wie Apfel glänzten. Sie wischten die eigens für diesen Anlass sauber
geschrubbten schwitzenden Hände ab und blähten sich auf vor Empörung, wenn
Jadwiga auf ihre Berichte von soundsoviel Morgen plus zwei Milchkühen mit einem
ihrer unverständlichen Sprichwörter antwortete. Der Erste war Janek Kos, der
schon angeprescht kam, als Zofia noch keine fünfzehn war, und Jadwiga jagte ihn
davon, bevor er noch die Füße in den zu großen, von seinem Vater geliehenen
Gamaschen über die Schwelle setzen konnte. Nach dieser
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