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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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zu ziehen
oder sich auf dem Rücken zu kratzen.
    In Brzezina und
Zalesie war man der Meinung, der geschäftliche Erfolg sei dem jungen Müller zu
Kopf gestiegen. Nicht genug damit, dass er selbst an Werktagen einen Filzhut
aufsetzte und in der Westentasche eine Uhr trug, auf der er ohne jeden Grund
ständig die Uhrzeit ablas, er hatte sich auch eine Frau aus dem fernen
Tschenstochau geholt und die ihm zur Heirat angetragenen Töchter seiner
Brzeziner Nachbarn verschmäht. Wenn es wenigstens eine aus Skierniewice gewesen
wäre, seufzten die Mütter der missachteten Töchter, aber so etwas hat ja die
Welt noch nicht gesehen, dass einer eine Weltreise macht, um sich eine Frau zu
nehmen, bis nach Tschenstochau! Neidisch schaute man zu, wenn die junge
Müllerin mit dem Fuhrwerk aus Skierniewice zurückkam, wo sie in der Konditorei
ganze Bleche mit Kremkuchen als Zugabe zum Preis für das Mehl bekam, sie saß
auf dem Kutschbock und kutschierte mit einer Hand, während sie mit der anderen
kremgefüllte Eclairs aß und rosa Windbeutel, die aussahen wie Flocken luftiger
Wolken, denen ein Dach aus Teig aufgesetzt worden war. Der Müller betete seine
Frau an, und er liebte seine Mühle. Manchmal nahm er Jadwiga nachts mit in die
Mühle und wartete, bis ihr Körper ganz mit Mehl bedeckt war, das als
feinkörniger Staub in der Luft wirbelte wie Schnee. Dann leckte er das Mehl von
ihren Armen, ihrem Bauch und ihren Schenkeln. So hätte er seine Frau am
liebsten immer gesehen, nackt und mit Mehl bestäubt, mit weißen Wimpern, weißen
Brustwarzen und einem Büschel weißer Haare zwischen den Beinen, duftend wie
das Brot, auf das man wartete. Für so eine Frau hat es sich gelohnt, bis nach
Tschenstochau zu fahren, sagte er, wenn er im Sosenka einen kippte, und soll
einer sagen, dass das nicht stimmt. Jadwiga war die zweite von sechs Töchtern
des Eisenbahnbeamten Alojzy Dziurski. Alojzy war im Alter von neununddreißig
Jahren an einer unbekannten Krankheit verstorben, die ihn im Laufe weniger
Monate völlig auszehrte und alle Farbe aus ihm saugte, sodass man den Sarg
geschlossen aufstellen musste, weil es so aussah, als lägen darin ein leerer
schwarzer Anzug und leere Pappschuhe. Die Ärzte hoben ratlos die Schultern und
sagten, bestimmt hätte er sich da eine Krankheit im Ausland angelacht, und seine
Frau Kazia starb fast vor Scham, so wie er aussah, also wirklich. Nach dem Tod
des Gatten konnte sie nicht wählerisch sein, wenn es um die Heiratskandidaten
für die Töchter ging. Die älteren Mädchen hatten sogar eine bezahlte Ausbildung,
zum Beispiel im Sticken oder in bestimmten Rechenfertigkeiten, doch sie waren
nicht gerade mit Schönheit gesegnet, und als Mitgift konnten sie allenfalls
einen Satz Bettzeug und eines der wenigen noch nicht fürs tägliche Brot
verkauften Möbelstücke aus dem schwammbefallenen Zinshaus am Fuße von Jasna
Göra erhoffen. Die neunzehnjährige Jadwiga ging als Erste aus dem Haus, sobald
sich dazu in Gestalt des Müllers Adam Strak die Gelegenheit bot - eigentlich
eine Mesalliance, denn Alojzy Dziurski hatte unter seinen Vorfahren Landadlige
gehabt, jedenfalls behauptete er das, aber besser ein Müller als eine leere
Speisekammer, zumal er Frau Dziurska half, die ausstehenden Mieten zu zahlen.
Jadwigas Schwestern verwehten in alle Richtungen wie Sandkörner im Wind, und
nach dem Tod der Mutter verlor Jadwiga den Kontakt mit ihnen. Sie wusste nur,
dass Wladzia, die Jüngste und Hübscheste von ihnen, nach Amerika ausgewandert
war, wo es ihr gut ging. Wenn wir nur Wladzias Adresse hätten! seufzten die
Dziurski-Schwestern jede für sich in schweren Zeiten; keine von ihnen sollte je
erfahren, dass Wladzia nichts so fürchtete wie die Möglichkeit, die Schwestern
könnten eines Tages an der Tür ihrer Dreizimmerwohnung auf der New Yorker
Lower East Side klopfen, um ihr Vorwürfe wegen der Profite aus ihrer
florierenden Regenschirmmanufaktur und ihres Eheglücks mit einem Ungarn zu
machen, den sie auf einem Handelsschiff kennengelernt hatte und dessen
Vornamen sie Zeit ihres Lebens nicht richtig aussprechen konnte, weshalb sie
ihn Wacek rief. Adam Straks Ehefrau Jadwiga hatte nicht die Fruchtbarkeit
ihrer Mutter Kazia geerbt, jedenfalls nicht richtig, denn sie wurde zwar
schwanger, wenn sie nur an eine Hose streifte, wie ihre Schwiegermutter aus
Brzezina zu sagen pflegte, doch die Kinder, die sie zur Welt brachte, waren
unfertig und noch nicht bereit für die Welt. Entweder sie hatte nach

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