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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Mit ihr
verschwand ein Ring mit einem grünen Stein, den Kazimierz Maslak im letzten
Krieg erworben hatte.
     
    ***
     
    Eines Abends im
Winter des fünften Kriegsjahrs ging Zofia, beunruhigt vom Bellen des Hundes und
bewaffnet mit Mut und Stock, auf den Hof hinaus und steuerte geradewegs auf
etwas Schwarzes zu, das in der Dunkelheit lauerte. Weg mit dir! rief sie und
tat so, als habe sie keine Angst. Wenn es Maniek Gorgöl war, würde sie ihm
draußen leichter davonlaufen können als im Haus, dessen Tür er mit einem
Fußtritt zertrümmern könnte. Und wenn es ein Tier war, sagte sie sich
beruhigend, dann würde es sie nicht grundlos angreifen. Bitte schlagen Sie mich
nicht, sagte das dunkle Etwas, und Zofia blieb fast das Herz stehen, denn sie
hatte mit Sicherheit etwas weniger Menschliches und Höfliches erwartet. Wer
ist da? Was wollen Sie? fragte sie unsicher, und der Schatten richtete sich
auf. Es war ein Mann, ein Fremder, dessen dunkler Kopf aus einem Lumpenkokon
ragte. Ich heiße Ignacy, sagte der Schatten. Guten Abend, meine Dame. Das gab
es zu normalen Zeiten nicht, wie viel weniger noch im Krieg, dass man einen
Fremden im Garten fand, der nicht die Kehle durchschneiden, nicht
vergewaltigen, nicht die Kate in Brand stecken wollte, nur sagte: Guten Abend,
meine Dame. Zofia stand mit offenem Mund. Woher kommen Sie denn? Na, sagen Sie,
was wollen Sie, ich kann den Hund auf Sie hetzen. Ich bin auf der Flucht, sagte
der Schatten. Aus dem Ghetto, aus Warschau. Heilige Muttergottes! Zofia Maslak
wurden die Knie weich, der Krieg wütet, sie ist ganz allein auf der Welt und
hat einen Juden im Garten, und auch noch aus Warschau, ausgerechnet! Wie sind
Sie hierher gekommen? fragte sie ins Dunkel, in dem seine Augen leuchteten. Was
wollen Sie? Es war keine außergewöhnliche Geschichte, Zofia glaubte sie, denn
etwas Ähnliches war vor ein paar Monaten passiert, als an der Sägemühle ein
verirrter Jude von den Deutschen erschossen worden war. Einer hatte Ignacy im
Wald stehen lassen und war verschwunden. Die Leute, die ihn angeblich hätten
holen und in ein Versteck bringen sollen, waren nicht gekommen. Ignacy hatte
sich auf eigene Faust auf den Weg gemacht. Wenn man schon sterben muss, dann
lieber im Gehen. Im Gehen fürchtet sich der Mensch nicht so. Er wusste nicht,
wie viele Tage und Nächte er so gegangen war, bestimmt war er im Kreis gelaufen,
er aß gefrorene Beeren, einmal stieß er auf einen Bach, aber dann kam er wieder
davon ab, er aß Schnee, der nach Rauch schmeckte. Ihr Haus steht am Rand des
Dorfes, er hat Hunger, er hat kein Geld mehr, er hat gar nichts mehr, was soll
er also wollen? Er schaute Zofia aus fiebrig glühenden dunklen Augen an und
flüsterte: Ich gehe schon. Er machte eine halbe Kehrtwendung, stürzte und
schlug dabei mit dem Kopf an die steinerne Brunnenumrandung. Zofia dachte an
den Gestank von verbranntem Fleisch, an die Lippen von Maniek, die aussahen
wie zwei Schnecken. Sie schaute auf den Pfad, der vom Dorf zu ihrer
Gartenpforte führte und weiter in den Wald - er war leer, weiß, das Mondlicht
übergoss alles wie mit Quecksilber. Den Juden vor ein paar Wochen hatten angeblich
zuerst Burschen von der Sägemühle gefunden, er lag neben den Gleisen und konnte
aus eigener Kraft von dort nicht mehr weg. Die Männer standen und guckten, in
der Gruppe ist die Angst stärker als in einem Einzelnen. Die Angst band ihnen
die Hände, und niemand wagte, ihm auch nur Wasser zu geben. Die Cudzakowa
sagte, das war doch ein Jude, der hätte sowieso nicht überlebt, die Beine waren
ihm schon schwarz gefroren. Bitte, tötet mich ganz! soll er gefleht haben, und
einer sagte den Deutschen Bescheid, vielleicht der alte Kos, vielleicht Kukutka,
als ob ihnen dieses »Tötet mich ganz«! das Recht dazu gäbe, als ob er wirklich
hätte sterben wollen und nicht in Wirklichkeit um Rettung gebettelt hätte.
    Zofia Maslak
rief noch einmal die Muttergottes um Hilfe an, die jedoch an diesem Abend mit anderen
Dingen beschäftigt war, dann beugte sie sich über den bewusstlosen Mann und
schleppte ihn ins Haus. Sie zog die Tür zu, das Schloss schnappte ein, es gab
kein Zurück. Auf dem Boden im Flur wusch sie ihn mit einem essiggetränkten
Lappen, der Anblick des geschundenen Körpers ließ sie erschauern. Ruhig, ganz
ruhig — sie besänftigte ihn wie ein Kind, denn er begann zu stöhnen, wollte dem
Engel etwas sagen, der sich im Schein der Petroleumlampe über ihn beugte. Am
Schenkel hatte er eine eiternde Wunde,

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