Bator, Joanna
in der Ecke
döste. Kazimierz räusperte sich, kalkulierte kurz durch und erklärte dann, was
ihn anginge, so sei er der Meinung, das laufe dem Gefängnis zuwider, und man
müsse nicht nur die Frau, sondern auch den Arzt streng bestrafen. Denn womit
würden sich diese Quacksalber wohl ihre Villen bauen? All diese Glasuren und
Bolaserien? Mit dem Blut Unschuldiger. Das erntete Applaus, der Kazimierz
Maslak etwas verwunderte. Er wagte sich also einen Schritt weiter vor,
probierte den Boden aus, tastend, als wate er beim Krabbensuchen am Ufer der
Pelcznica. Für den Arzt eine langjährige Gefängnisstrafe. Für die Frau
lebenslänglich, aber wenn eine Frau entgegen dem Willen ihres Mannes
abgetrieben hat, dann muss man strenger sein als bei einem Fräulein. Denn so
ein Ab.. .ortus, das ist ja... Völkermord wie bei diesem Doktor Mendele. Herr
Kazimierz! Helena Demon richtete sich auf und ließ einen Augenblick lang tief
blicken, als sie den einen Schenkel über den anderen legte. Sie nehmen mir die
Worte aus dem Mund, Herr Kazimierz. Man kam überein, dass im nächsten Monat
Kazimierz Maslak und Helena Demon ins ferne Breslau fahren und sich mit der
dortigen Gruppe zum Schutz ungeborenen Lebens treffen würden, um zu
besprechen, wie man mit vereinten Kräften vorangehen könnte.
Von seinem
Erfolg beflügelt vermutete Kazimierz Maslak allmählich, dass es bei der Politik
um die entsprechend prägnante Wiederholung dessen geht, was andere Versammelte
sagen, in den Worten, die diese gerne benutzt hätten, was ihnen aber aus
irgendwelchen Gründen nicht gelingt. Was für ein Glückspilz er doch ist. Er
sitzt auf der Veranda, um ein bisschen sonnenzubaden, denn ein gebräunter Mann
sieht immer gleich eleganter aus, als käme er gerade aus Sopot zurück oder habe
sich ein wenig in seinem Schrebergärtchen vergnügt. Er hatte auch Basienka
immer gesagt, dass die Bräune, die man im Schrebergarten bekommt, dieselbe ist
wie am Meer, man gibt nur weniger Geld dafür aus. Nach Breslau würde es
vielleicht nach Warschau gehen und dann, wer weiß, gar ins Ausland. Man musste
gewappnet sein. Er hat schon siebzig auf dem Buckel, aber er könnte es noch so
manchem Jüngeren zeigen. Kazimierz hatte gehört, dass es in Thailand und in
Afrika jede Menge kleine Mädchen zur freien Auswahl gibt, farblich passend für
jeden, der Geld hat.
Seine eigene
Frau Basienka indessen war inzwischen selbst kaum größer als eine Zehnjährige.
Mit Brillengläsern so dick wie ein Flaschenboden, die grauen Haare zu Zöpfen
geflochten, schrumpfte sie in einem Tempo, dass die rudernden Arme ihres Mannes
ein ums andre Mal ins Leere trafen. Das kann einen aufbringen, erst recht wenn
man mit ernsten politischen Angelegenheiten beschäftigt ist und im Kopf ständig
Reden vorbereitet. Wie oft kann man sich ein Liedchen vom Himbeer-Mädchen wie
Honig so süß anhören, wenn man die Quelle des Gesangs nicht orten kann und
nicht einmal weiß, in welche Richtung man den Pantoffel werfen soll? Die
verkleinerte Frau eignete sich nicht für Küchenarbeit, denn sie wäre nicht
einmal imstande gewesen, den Fleischklopfer zu halten, um ihrem Mann seine
geliebten Rindsrouladen zu machen. Deshalb übernahm Jadzia die Zubereitung des
Essens für das Oberhaupt der Familie, das Kazimierz immer so gern hatte sein
wollen. Barbara trat ihr Küchenreich an sie ab, die Abdankung erfolgte ohne ein
Wort des Protestes, denn sie hatte sich nie als Königin gefühlt. In den ersten
Wochen saß sie manchmal auf einem Schemel am Küchentisch und sah durch ihre mit
Pflaster beklebten Brillengläser Jadzia beim Kartoffelschälen oder Zwiebelbraten
zu. Sie weichte Weißbrot in süßer Milch ein und summte vom Himbeer-Mädchen wie
Honig so süß, während sich vor ihrem Mund Speichelblasen bildeten. Jadzia
behandelte sie genau wie das kleine Mädchen, das sie immer geblieben war,
flocht ihr die mausigen Zöpfchen und band ihr eine doppelte Schleife darum. Sie
wischte hinter ihr her die Flatschen von eingeweichtem Brot auf, die Basienka
auf den gewienerten Boden gespuckt hatte, und beschimpfte sie als Papperlake.
Wenn sie einkaufen ging, band sie Basienka vorsichtshalber mit dem Bein am Heizkörper
fest. Eines Tages, als von Piaskowa Göra her ein so starker Wind wehte, dass
Sand durch die Fensterritzen drang, entwischte die geschrumpfte Barbara, als
Jadzia dem Briefträger öffnete, und trotz einer Suchaktion, an der sich auch
die Miliz mit Hunden beteiligte, wurde sie nicht wiedergefunden.
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