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Bator, Joanna

Bator, Joanna

Titel: Bator, Joanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandberg
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Tür
hinter sich ins Schloss fallen. Als er aus dem Sosenka zurückkehrte, waren die
Zwillinge verschwunden und mit ihnen das Geld, zwei Garnituren Bettzeug, die
noch von der alten Mutter Kos stammten, sowie der Zuckervorrat. Janek Kos
schaute sich in seiner Kate um und begriff, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Er wartete hoffnungsvoll, dass die Schwestern zurückkämen, so sollten sie eben
zu zweit sein, doch sie tauchten in Zalesie weder in diesem noch im nächsten
Frühling auf. Er versuchte, sie aufzustöbern, fragte in den Nachbardörfern und
fuhr bis nach Skierniewice, aber das alles führte zu nichts, sie blieben
verschwunden. Nach einiger Zeit tauchte Janek Kos deshalb wieder bei Zofia mit
seinen Fleischgeschenken auf, doch ihre Zurückweisungen entfachten nicht mehr
die Liebe, sondern nährten seinen Groll, den er mit der ihm angebotenen sauren
Suppe löffelte.
    Die verlorenen
Zwillingsschwestern und die nicht stattfindenden Hochzeiten der Söhne, das
undichte Dach und das dreckige Bettzeug, dessen Wäsche er dauernd hinauszögerte.
Der Kartoffelkäfer! Bei ihm wütete er am schlimmsten. Daran musste jemand
schuld sein. Er rieb mit den Knöcheln über die Narbe, und die Bitterkeit lief
über in ihm und gerann, drang auch bis in die letzten Stellen, wo noch Luft
und Licht gewesen waren. Sie fraß sich langsam nach innen, als ob alles in ihm
zu einem inneren Dunkel strebte. Sein Gesicht verlor Züge und Ausdruck, immer
öfter kam es vor, dass man ihn nicht erkannte oder für jemand anderen hielt.
Die Bardame im Sosenka fragte: Sie sind wohl krank oder so, Herr Janek, denn
Sie haben sich im Gesicht so verändert, als wären Sie nicht mehr Sie selbst. Janek
Kos' Gesicht hätte jetzt jedem x-beliebigen gehören können, es unterschied sich
von anderen einzig und allein durch die Narbe, die aussah wie ein Riss in einem
Stein. Janek Kos' Hoffnung starb endgültig in jenem Sommer, in dem Jadzia zum
ersten Mal ihre kleine Tochter mit nach Zalesie brachte, damals war Dominika
ein paar Jahre alt. Zwischen den monströsen Dahlien in Zofias Garten sah er ein
mageres kleines Mädchen, das niemandem im Dorf glich, am allerwenigstens
Maciek Maslak. Das Kind musterte das zerfurchte Gesicht, das sich über den
Zaun schob, und Janek Kos spürte, wie die Bitterkeit in ihm zu einem Hass
wurde, der brannte wie der beste Wodka. Ein jüdisches Kind in Zofias Garten?
Eine jüdische Enkeltochter? Jadzia jedenfalls sah man nichts an, und er hatte
sich vorgegaukelt, wenn sie nicht ehelich sei, dann doch wenigstens von Gorgöl,
der zwar ein Verräter gewesen war, aber doch immerhin einer von hier, ein
Pole. Kazimierz Maslak hatte immer gesagt, mit den Juden im Krieg, da habe was
nicht gestimmt. Was nicht stimmte, war, dass sie nicht ganz so arm waren und
nicht so ungerecht behandelt, wie es immer hieß, und Maslak, der war nicht
dumm. Zum einen wusste man ja, dass sie Geld hatten. Dort in Auschwitz hatten
sie angeblich ganze Berge von Gold aus den Koffern geschüttelt. In der Schlange
hatten sie gestanden und das Gold rausgeschüttelt, bis zum Himmel wuchs der
Goldhaufen, und wie er in der Sonne glänzte! Wie viele Edelsteine in den Ringen
dort waren, Silber aus echtem Silber, wertvolle Gemälde, angemalte
Pferdekutschen. Auch jetzt, nach dem Krieg, sind die Polen immer noch
bettelarm, er zum Beispiel - in seiner Kate regnet es ihm auf den Kopf, und
keinen gibt es, der das Dach flicken kann, der Kartoffelkäfer frisst die
Kartoffeln auf, wie vom Himmel ist er gefallen, man kommt mit dem Ablesen gar
nicht nach. Hat so ein Jude Kartoffelkäfer? Nein! Sie sind in Amerika, diese
Juden, in der BeErDe oder in Palästina, sie haben Schinken, Apfelsinen und
Filterzigaretten, so viel sie wollen, in jeder Kate ein Badezimmer, die
Kühlschränke jeden Tag vollgestopft wie vor Weihnachten, nicht mal sein Cousin,
der erste Sekretär isst so gut. Sie fressen sich voll, zählen ihre Goldbarren,
und Jesus - wer hat den getötet? Ihresgleichen hätten sie ja nicht getötet,
was soll dann das Gerede, dass Jesus auch Jude ist. Von wegen Jude, eher ist
er Pole.

Unsereiner
kommt überall rein. Gut, dass man sie alle von hier weggejagt hat, die Russkis,
die Jidden, obwohl — alle ja doch nicht, dieser neue Lehrer aus Brzezina, der
geht weder in die Kirche noch ins Sosenka, und Koteletten hat er, wie
aufgedreht. Oder die von der Post. Eine Frau in diesem Alter und dann ohne
Mann und Kinder. Janek Kos würde sich gar nicht wundern, wenn herauskäme,

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